Erdogan spielt gegenüber den Kirchen in der Türkei den Sultan: mal gönnerhaft und großmütig, mal gefährlich repressiv. So entsteht eine Atmosphäre der Angst, denn kein Recht schützt vor der Willkür und wechselhaften Laune des Autokraten. Es ist ein Wechselspiel von Zuckerbrot und Peitsche: Wer sich gegenüber Erdogan wohlgefällig erweist, darf auf Gnadenakte hoffen – wer es nicht tut, muss mit Repressionen rechnen.
Erdogans Politik gegenüber Christen: Auf Zuckerbrot folgt Peitsche
Das bekommt nun neuerlich der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios, zu spüren: Im April noch empfing Erdogan persönlich den Patriarchen in Ankara und stellte ihm die Wiedereröffnung des griechisch-orthodoxen Seminars von Chalki in Aussicht. Doch auf das Zuckerbrot folgt jetzt die Peitsche: Das staatliche türkische Religionsamt Diyanet bereitet die Gründung eines internationalen islamischen Studienzentrums auf der Insel vor – in unmittelbarer Nähe zur griechisch-orthodoxen Immobilie, die einst das Priesterseminar beheimatete.
Westliche Wertegemeinschaft spielt keine Rolle
Die USA und die EU, die sich immer und immer wieder für das orthodoxe Seminar auf Chalki eingesetzt haben, sind Erdogan heute nicht mehr wichtig. Das Patriarchat im Phanar will er nicht aushungern oder verjagen, aber mit Zuckerbrot und Peitsche dirigieren.
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DT (jbj)