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Bad Teinach-Zavelstein: Krokusse und ein alter Friedhof

Die wilden Krokusse haben den kleinen Ort Bad Teinach-Zavelstein überregional bekannt gemacht. Aber auch sonst gibt es dort in einiges zu entdecken, wie beispielsweise den „Gotsacker“.
DEU, Deutschland, Baden-Württemberg, Bad Teinach-Zavelstein 14.03.2020: Blütenmeer in den Zavelsteiner Krokuswiesen. Da
Foto: Imago Images | Zahlreiche Legenden ranken sich um die Herkunft der Krokusse. Eine dreht sich um ein Burgfräulein, dessen Gemahl die Krokusse vom Kreuzzug mitgebracht haben soll.

Die wilden Krokusse zaubern lila Farbkleckse in die Natur rund um den Ortsteil Zavelstein. Spätestens im März schaffen es die ersten zarten Blütenköpfe ans Tageslicht. Jetzt am Morgen sind die winzigen Kelche noch geschlossen. In den Tautropfen verfangen sich erste Sonnenstrahlen. Nur zögerlich öffnen sich die Blüten, bis sich nach und nach ein lila Teppich auf den Wiesen ausbreitet. Was für eine Pracht! Am besten kann man die Blumen auf dem knapp fünf Kilometer langen Krokusweg bewundern, der rund um den Ort verläuft. Einst war Zavelstein die kleinste Stadt in Baden-Württemberg. Seit der Gemeindereform ist Zavelstein ein Ortsteil von Bad Teinach-Zavelstein.

Zahlreiche Legenden ranken sich um die Herkunft der Krokusse – irgendwoher müssen sie einst gekommen sein. Eine Geschichte besagt, dass die Mönche des Klosters im nahen Hirsau beim Safrananbau auf die Blumen gestoßen sind. Allerdings lässt sich aus dem Zavelsteiner Krokus kein Safran gewinnen. Es ist kaum vorstellbar, dass die Mönche den Unterschied zwischen Frühlingskrokus und den im Herbst blühenden Crocus sativus, mit den teuren Blütenfäden, nicht kannten. Eine andere Geschichte dreht sich um ein Burgfräulein, dessen Gemahl die Krokusse vom Kreuzzug mitgebracht haben soll. Am wahrscheinlichsten scheint aber zu sein, dass der württembergische „Spitzendiplomat“ Benjamin Buwinghausen von Wallmerode, der 1616 mit der Herrschaft Zavelsteins belehnt wurde, die ersten Pflänzchen von einer Italienreise mitgebracht hat und im Schlossgarten anpflanzen ließ. Fest steht, dass die farbigen Hingucker auf dem Rückzug sind. Die extensive Landwirtschaft führt zu immer mehr Heuernten, bis zu fünfmal jährlich werden die Wiesen gemäht. Damit bleibt dem Samen keine Zeit auszureifen, der ein paar Jahre zur Blüte benötigt.

Zu viel Dünger schadet den Krokussen

Immer mehr Flächen werden auch für den Anbau von Mais und Getreide genutzt und zu viel Dünger macht den Krokussen ebenfalls zu schaffen. Inzwischen wurden mit den Landwirten Maßnahmen zum Schutz der Blumen vereinbart. 2014 legte der Schwarzwaldverein Zavelstein eine Streuobstwiese an, die nur zweimal im Jahr gemäht, aber nicht gedüngt wird. Hier wachsen jetzt zwischen den über 25 unterschiedlichen Apfelbäumen kleine blaue Kissen. Hie und da schauen ein paar hellere und sogar weiße Köpfchen daraus hervor. Die Streuobstwiese mündet an dem Spinnerin-Kreuz-Weg, der auf dem Krokusweg, am nördlichen Ortsrand von Zavelstein liegt. Hier steht direkt neben einer Bank ein Feldkreuz. Es erinnert an die Spinnerin, die 1447 hier in eine Wolfsgrube gestürzt ist. Auch in den Gärten der Zavelsteiner wachsen Krokusse um die Wette. Durch die Krokusstraße geht es wieder in den Ort hinunter, und direkt zum „Gotsacker“.

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Das Tor zum alten Friedhof quietscht leicht beim Öffnen, obwohl es so aussieht, als wäre es schon Jahrzehnte in Betrieb. Beim Eintreten blicken die Besucher direkt auf den riesigen Baum der Erinnerungsstätte. Seit 1979 ist der imposante Mammutbaum, hier und spendet Trost, Schatten und Stärke. Kleine Kärtchen hängen an seinen unteren Ästen. Beim Näherkommen liest man Zitate und Gedanken bekannter und weniger bekannter Persönlichkeiten zum Thema Sterben. Der „TrostWortBaum“ ist das Zentrum des Friedhofs. Um ihn herum sind alte Grabsteine verteilt. Früher war der Tod in den Großfamilien ein zentraleres Element, integriert in den Alltag und Teil des Lebens. Ein geliebter Mensch starb meist dort, wo er zuhause war. Inzwischen sind immer mehr Aufgaben rund ums Sterben an Bestattungsunternehmen übergegangen. Der bewusste Umgang mit dem Tod ist dabei immer mehr verloren gegangen. Stätten der Erinnerung, wie in Zavelstein, geben ihm auch zu Lebzeiten Bedeutung. Der Zavelsteiner „Gotsacker“ war seit Mitte des 16. Jahrhunderts Bestattungsort für Zavelstein. Da die Nutzung nach Einrichtung eines neuen Waldfriedhofs auslief, wurde er 2012 dann zur Erinnerungsstätte.

Entwicklung der Bestattungskultur

Schilder mit Informationen über das Bestattungswesen und Zavelsteins Kirchengeschichte sind über den alten Friedhof verteilt, den eine denkmalgeschützte Mauer umschließt. Die Tafeln informieren über die Entwicklung der Bestattungskultur: Ihr Brauch reicht in die Frühgeschichte der Menschheit zurück. Beim Rundgang erfährt man, dass von der jüngeren Steinzeit bis zur Bronzezeit, 6 000 bis 2 000 vor Christus, Verstorbene bevorzugt in hockender Stellung bestattet wurden. Von der mittleren Bronzezeit, bis 1 300 v. Chr., zeugen Hügelgräber. Die Gräber der Mächtigen wurden darin mit kostbaren Grabbeigaben ausgestattet, wie beispielsweise das rund 50 Kilometer entfernte Hügelgrab des Keltenfürsten in Hochdorf an der Enz zeigt. Durch Kriege und Krankheiten waren die Kirchhöfe, häufig Bestattungsorte im Mittelalter, oft überfüllt. Mit der Reformation wurden Friedhöfe meist in die Außenbezirke verlagert. Die räumliche Nähe zur Kirche und somit zu Gott verlor an Bedeutung. Erst 1876 entsteht in Mailand das erste Krematorium. Die kleine Ausstellung in der ehemaligen Aussegnungshalle des ehemaligen Friedhofs zeigt auch den Umgang mit Trauer früherer Generationen. Kruzifixe, Christusdarstellungen, gestickte und gemalte Haussegen und Gebetsbücher aus früheren Jahrhunderten geben Einblicke in die Religiosität.

Rundblick bis zur Schwäbischen Alb

Vom „Gotsacker“ sieht man die Burgruine Zavelstein, die um 1200 als Stauferburg errichtet wurde und von besagtem Benjamin Buwinghausen von Wallmerode erworben wurde. Der herzogliche Baumeister Heinrich Schickhardt baute sie bis 1630 zum Spätrenaissance-Schlösschen um. 1692 zerstörten französische Truppen im französisch-pfälzischen Erbfolgekrieg die Wehranlage. Der 28 Meter hohe Turm überragt die Fachwerkhäuser. Von der Aussichtsplattform bietet sich heute ein herrlicher Rundblick bis zur Schwäbischen Alb.

Nicht weit entfernt liegt das Hotel „KroneLamm“ mit gutbürgerlichem Restaurant und Sterne-Restaurant. Drei Premiumwanderwege streifen den Ort und die Augen-BlickRunde Zettelberg ist eine rund 15 Kilometer lange Wanderung mit ganz besonderen Aussichtspunkten im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord. Einmal um den Ort geht es auf dem historischen Rundweg Zavelstein – auch wieder vorbei an der lila Pracht, deren Blütezeit man nicht verpassen sollte.

 

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