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Ohne Smartphone leben Kinder besser

Der App-Markt für Kinder wird immer größer. Aber das Smartphone bereitet nicht auf das praktische Leben vor und verhindert Gemeinschaft.
Kleinkind am Handy auf dem Schaukelpferd
Foto: IMAGO/Anastasiya Amraeva (www.imago-images.de) | Da gibt es nichts zu Lachen: Inzwischen verfügt jedes fünfte Kleinkind über ein eigenes Tablet, wie aus einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest resultiert.

Eigentlich kann das Handy ja alles: „Kptn Cook“ ersetzt das Kochbuch, Uber den Anruf beim Taxidienst, Google Maps den Blick in Fahrpläne von Bus und Bahn sowie Straßenkarten, Paypal komplizierte Überweisungen. Im Navigator der Deutschen Bahn gibt es den Comfort Check-In: Dem Zugpersonal teilt der Navigator mit, dass man mit einem gültigen Ticket unterwegs ist und sich auf einen bestimmten Sitzplatz gesetzt hat. Das erübrigt die Fahrscheinkontrolle. Die Kommunikation mit dem Zugpersonal fällt damit auch weg. Wer in WGs lebt und sich Essenskosten mit seinen Mitbewohnern „splittet“, muss schon lange nicht mehr mitrechnen. Auch, wenn jeder Grundschüler dazu in der Lage wäre: Wer wem wieviel Euro schuldet, das weiß am präzisesten die App „Splitwise“.

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Die Liste mit nützlichen Apps, die Denkprozesse und Kommunikation ersparen, ist lang. Auch der App-Markt für Kinder ist riesengroß – und wächst. Auf kleine Mädchen warten bei „Barbie Dreamhouse Adventures“ Ausflüge mit einem pinken Cabrio, Backen mit Barbie und ihren kleinen Hündchen. Das steht in der Beschreibung im App Store. In „LEGO DUPLO Marvel“ können Kinder mit Spiderman spielen – freilich in 2D, noch holt keines seiner noch so atemberaubenden Abenteuer den legendären Superhelden hinter dem Bildschirm hervor. Der große Haken an der Sache: Motorische Fähigkeiten, die Kinder sich beim Spielen aneignen, bleiben auf der Strecke. Wie will man fingerfertig werden, wenn man nie einer Barbie die Schuhe zugeschnürt hat? Oder ihrem Einhorn die Gummitrense überstülpen musste? Oder dem Monster Truck von Lego nach Bauanleitung die Kühlerhaube angeschraubt hat? Kein noch so häufiges oder schnelles Tippen, Wischen und Klicken an Smartphones, Tablets und Co könnte das ersetzen.

Traurige Teenager

„Das Smartphone macht Kinder krank“, titelte die Neue Züricher Zeitung (NZZ) schon vor gut zwei Jahren. „Den Kindern geht es nicht gut. Rasant breiten sich Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit unter Teenagern aus“, heißt es dort weiter. NZZ-Reporterin Christine Brinck berief sich dabei auf eine amerikanische Generationenforscherin. Deren Erkenntnisse: Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Verbreitung der sozialen Netzwerke und dem steigenden Unglücklichsein der Heranwachsenden, in dem Fall der nach 1995 Geborenen.

Einige Monate zuvor hatte die Zeitung bereits über ein Internat in Massachusetts berichtet. In der „Buxton School“ in Williamstown weht nämlich ein anderer Wind: Handys sind dort seit 2022 verboten, für Schüler wie Lehrer. Den Lehrern war es schon lange ein Dorn im Auge gewesen, Schüler im Unterricht wie beim Essen mit gesenktem Blick an den Handys kleben zu sehen. „Nicht das wirkliche Leben, sondern die iPhones waren die Welt der Schüler“, zitiert die NZZ einen Geschichtslehrer der „Buxton School“. Denn nach dem Unterricht verzogen die Schüler sich kollektiv mit ihren Smartphones auf die Zimmer. Die Gemeinschaftsräume blieben leer.

Die „Dauer-Ablenkung“, wie das Internat die „in der Außenwelt allgegenwärtigen Smartphones“ bezeichnet, ist dort darum nun verbannt. Es bleiben ihnen Computer, Laptops und  „Light Phones“, mit denen die Schüler ihre Eltern anrufen dürfen. Nach Senior Director Franny Shuker Haines wirke das Verbot sich positiv aus. „Den Schülern fehlen ihre Geräte, und sie sind von den Grenzen des Light Phones frustriert, aber sie sind angenehm überrascht von den sozialen Auswirkungen des Banns; sie reden mehr, spielen mehr miteinander und sind draußen wie drinnen einfach viel aktiver als zuvor“, zitiert die NZZ ihn. Und weiter meint er: „Wir haben keine Angst, dass 32 Wochen im Jahr ohne Smartphone die Vorbereitung auf das spätere Leben verhindert.“ Leben ohne Handy sei ein Schritt nach vorn – in die Gemeinschaft.

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Elisabeth Hüffer

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