Die dritte Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück hat die Klage einer Pflegehelferin gegen ein vom Landkreis Osnabrück 2022 mangels Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ausgesprochenes Betretungs- und Tätigkeitsverbot vorläufig ausgesetzt (AZ.: 3 A 224/22). Das teilte das Gericht gestern in einer Pressemitteilung mit. Wie die Kammer weiter mitteilte, werde das Verfahren zunächst dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die Verfassungshüter sollen klären, ob § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG, in der Fassung vom 18. März 2022) mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar gewesen ist.
RKI-Präsident Schaade als Zeuge vernommen
Nach Ansicht der Verwaltungsrichter sei eine verfassungskonforme Auslegung der Norm nicht möglich. So verletze die Norm das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Berufsfreiheit. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 27. April 2022 (1 BvR 2649/21) die Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Norm festgestellt. Aufgrund der inzwischen vorliegenden Protokolle des COVID-19-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) sowie der in diesem Zusammenhang durchgeführten Zeugenvernehmung von RKI-Präsident Lars Schaade sei jedoch die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidungsfindung in Frage zu stellen, so die Kammer.
Richter: RKI-Protokolle erschüttern bisheriges Motiv für einrichtungsbezogene Impfpflicht
Wie das Gericht weiter schreibt, habe das RKI das Bundesministerium für Gesundheit auch von sich aus über neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung informieren müssen. Nach der Gesetzesbegründung sei der Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal ein tragendes Motiv für die Einführung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impfpflicht gewesen. Diese auf den RKI-Empfehlungen beruhende Einschätzung werde jedoch nun durch die veröffentlichten Protokolle des Instituts erschüttert. Der Gesetzgeber sei seiner Normbeobachtungspflicht nicht gerecht geworden. Da § 20a IfSG im Laufe des Jahres 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen sei und dem Verwaltungsgericht selbst keine Normverwerfungskompetenz zukomme, sei eine erneute Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erforderlich. (DT/reh)
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