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„Medizinische Katastrophe“

Aufgedeckt: In den Niederlanden haben Reproduktionskliniken absichtlich und umfänglich Auflagen für Samenspender ignoriert. Einige Reproduktionsmediziner verwendeten gar eigenes Sperma.
Künstliche Befruchtung
Foto: imago stock&people | Laborzeugung: Bei der In-Vitro-Fertilisation entsteht ein neuer Mensch sozusagen im Reagenzglas.

Sogenannte Kinderwunsch-Kliniken in den Niederlanden haben jahrzehntelang massiv gegen Richtlinien für Samenspender verstoßen. Das gab am Montag die Niederländische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (NVOG) bekannt.

Die Verstöße, die durch die Umstellung auf ein neues Registrierungssystem zum 1. April ans Tageslicht kamen, sind gravierend. Demnach sollen mindestens 85 Samenspender in den Niederlanden mehr als 25 Kinder gezeugt haben. Einige Kliniken hätten dabei wissentlich das Sperma verschiedener Spender häufiger als gesetzlich erlaubt verwendet. Auch seien Spermien ohne die erforderlichen Papiere oder das Wissen der Spender ausgetauscht worden. In anderen Fällen sei denselben Spendern erlaubt worden, in mehreren Kliniken als Samenspender zu fungieren.

„Wir haben die Dinge nicht so gemacht, wie sie hätten gemacht werden sollen“

Seit 1992 verbietet ein Gesetz, das die Niederländer vor unbeabsichtigter Inzucht schützen soll, Samenspendern mehr als 25 Kinder zu zeugen. Im Jahr 2018 wurde die Obergrenze auf 12 gesenkt. Das mit einem Codesystem ausgestattete Register von Spendern und Müttern, das sicherstellen soll, dass das Gesetz auch eingehalten wird, trat jedoch erst Anfang dieses Monats rückwirkend in Kraft.

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„Dadurch kennen wir jetzt zum ersten Mal die genaue Anzahl der Kinder pro Spender“, erklärte die Gynäkologin Marieke Schoonenberg in der TV-Nachrichtensendung „Nieuwsuur“, die vom Öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgestrahlt wird. „Die Zahl der ,Massenspender‘ sollte bei Null liegen. Im Namen des gesamten Berufsstandes möchten wir uns entschuldigen. Wir haben die Dinge nicht so gemacht, wie sie hätten gemacht werden sollen“, so Schoonenberg in der Sendung weiter.

Folge: Mindestens 3000 Kinder mit mehr als 25 Halbgeschwistern

Laut Schoonenberg zeugte die Mehrzahl der „Massenspender“ zwischen 26 und 40 Kinder, einige sogar zwischen 50 und 75 Kinder. Besonders brisant: Unter den „Massenspendern“ befanden sich auch mindestens 10 Reproduktionsmediziner, darunter auch der 2017 verstorbenen Reproduktionsmediziner Jan Karbaat, der in seiner Klinik illegal mindestens 81 Kinder gezeugt haben soll, rund 60 davon mit eigenem Sperma. Karbaats Klinik wurde bereits 2009 wegen „Unregelmäßigkeiten“ geschlossen.

Ties van der Meer von der Stiftung „Donorkind“ (dt.: Spenderkind), die per Samenspende gezeugten Kindern hilft, ihre Spenderväter ausfindig zu machen, bezeichnete die Ergebnisse als „medizinische Katastrophe“. Die Daten bedeuteten, dass es in den Niederlanden mindestens 3000 Kinder mit 25 oder mehr Halbgeschwistern gebe.

Experte: Gesetzesverstöße machen DNA-Test für Spenderkinder erforderlich

„Der Schaden, der dem Vertrauen der Menschen in das medizinische System und in die Regierungen, die all dies zugelassen haben, zugefügt wurde“, sei jedoch nicht alles. Viele der Kinder sowie einige der Spender würden nun unweigerlich unter mehr Stress leiden. Es sei wichtig, dass sie alle verfügbaren Informationen erhielten.

In einem kleinen, dicht besiedelten Land wie den Niederlanden würden die betroffenen Kinder mit zunehmendem Alter wahrscheinlich zudem auf eine Reihe praktischer Probleme stoßen. „Sobald sie sich mit jemandem verabreden, müssen sie DNA-Tests machen, um sicherzustellen, dass sie nicht mit einem nahen Verwandten ausgehen“, erklärte van der Meer gegenüber „Nieuwsuur“.

Netflix-Doku: „Der Mann mit den 1000 Kindern“

Anfang Juli vergangenen Jahres erschien die von dem Abo-Streaming-Anbieter „Netflix“ produzierte Doku „Der Mann mit den 1000 Kindern“ über den Niederländer Jonathan Meijer. Der heute 43-Jährige, der sich auf Social Media-Kanälen als liebevoller Vater inszeniert, soll weltweit mindestens 550 Kinder mittels Samenspende gezeugt haben, mehr als 100 von ihnen durch Vermittlung niederländischer Kliniken. (DT/reh)

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