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Probleme an deutschen Kitas: Personalmangel und mehr

Wenn an Kindertagesstätten noch nicht einmal die Minimalversorgung sichergestellt ist. Ein Erfahrungsbericht.
Kita-Ampel auf Rot
Foto: Ute Grabowsky/photothek.net via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Die Lage an vielen deutschen Kitas ist unbefriedigend.

„Wann kommt er denn in die Kita?“, fragte mich kürzlich eine Erzieherin mit klarer Selbstverständlichkeit, als ich mit meinem knapp einjährigen Baby auf dem Arm in die Kita kam, um unseren mittleren Sohn abzuholen. Unser Vierjähriger kam mit drei Jahren in die Einrichtung, gleichzeitig mit seinem zwei Jahre älteren Bruder. Als unser Erstgeborener mit fünf Jahren in die „Kita“ kam, wunderten sich die Erzieherinnen, dass er so „normal entwickelt“ war und was er alles konnte.

Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Der Glaube, dass schon Kleinstkinder in „Kitas“ betreut und „gefördert“ werden müssten, wird beständig mit Inbrunst verbreitet. So verkündet das Bundesfamilienministerium auf seiner Homepage: „Kinderbetreuung ist auf viele Arten gut für Kinder: Sie profitieren von hochwertigen Bildungsangeboten […] Frühe Bildung begleitet ihre ersten Schritte und legt einen wichtigen Grundstein für den späteren Bildungserfolg.“

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Die Wirklichkeit in unserer Kita sieht anders aus. Ständig müssen Gruppen geschlossen oder zusammengelegt werden, weil es an Personal mangelt. Bezeichnend sind Mails wie die folgende:  „Im Moment haben wir einen enormen Krankenstand. In jeder Gruppe arbeitet im Moment ausschließlich eine Fachkraft. Die Kitaaufsicht wurde informiert. Ich möchte alle Eltern auf diesem Wege bitten, Ihr Kind morgen mit einem geringeren Stundenumfang in die Kita zu bringen oder ganz zu Hause zu lassen.“ Der Grund für die fehlende Verlässlichkeit der Betreuung ist die Personalknappheit, die durch Krankheitsfälle und die enorme Fluktuation verschärft wird. Innerhalb weniger Monate haben mehrere Erzieherinnen und der einzige Erzieher gekündigt. Darunter eine besonders qualifizierte Erzieherin, die nun auf einem Hof Erlebnispädagogik anbietet. Gerade an Erlebnissen fehlt es in der Kita, weil keine Ausflüge stattfinden.

Nur Personalmangel?

Im ersten Kitajahr unseres Vierjährigen hieß es, dass keine Ausflüge (etwa Zoo- oder Theaterbesuche) stattfinden können, weil die Gruppe (nach Corona) nicht „kompakt“ genug wäre. Im zweiten Jahr war die Erzieherin lange Zeit allein. Im nächsten Jahr werden neue Kinder dazukommen. Die Gruppe wird wieder nicht „kompakt“ genug sein. Im dritten Kindergartenjahr sollte Vorschule stattfinden. Aber die Angebote sind rudimentär. Die Leiterin unserer Einrichtung kam mit den Problemen nicht zurecht und wurde gekündigt. Auf Nachfrage von Eltern wurde nun eine „offene Sprechstunde“ abgehalten. Die Vertreterin des Trägers erklärte den Eltern immer wieder, dass der „Personalmangel“ für alle Probleme verantwortlich sei. Zugleich hieß es, dass in der Einrichtung, gemessen an den Richtlinien des Berliner Senats, nur eine halbe Personalstelle fehle. Wie schlecht müssen die Bemessungskriterien sein, wenn die Realität so trist aussieht?

Die Widersprüche der Politik

Obwohl es eine Sprechstunde sein sollte, kamen die Eltern recht wenig zu Wort. Es wird eine Gruppe angesprochen, die für besonders chaotische Zustände bekannt ist. Die Kinder würden kaum Deutsch sprechen und sich nicht an Regeln halten, was Ausflüge verhindere. Eine Mutter fordert, wenigstens mit den umgänglichen Kindern etwas zu unternehmen. Dem entgegnet die Erzieherin, dass man niemand „ausschließen“ dürfe.

Die Ursachen der Erziehungsprobleme, besonders mit den sogenannten „Integrationskindern“, spielen keine Rolle. Die Widersprüche der Politik klingen an, als eine Mutter beklagt, dass Frauen bei dieser Betreuungslage nicht in Vollzeit arbeiten könnten, wie es doch gefordert werde. Dieselbe Mutter ist aber relativ zufrieden. In einer anderen Kita hat sie die Erfahrung gemacht, dass ihre Tochter gemobbt wurde, aufhörte zu basteln und nur noch mit Steinen spielte. Da ergeht es ihr in dieser Kita besser. So werden die Ansprüche zurückgeschraubt, weil man auf die Betreuung angewiesen ist. Dazu bin ich nicht bereit und überlege, meinen Sohn ganz zuhause zu erziehen.

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Mária Pešeková Bundesfamilienministerium Senat von Berlin

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