„Wie so oft in bewegten Zeiten weiß möglicherweise die Literatur, mithin ein ganz bestimmtes Genre Rat zu geben, nämlich die sogenannte Robinsonade. Ausgehend von Daniel Defoes Klassiker „Robinson Crusoe“ aus dem Jahr 1719 hat sich eine eigenständige Werktradition begründet, deren Zentrum einschneidende und existenzielle Isolationserfahrungen bilden.“
Was kann man von Robinson Crusoe lernen? „Der Roman ist die Geschichte einer Bewährung, in einem unwirtlichen Gebiet. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, stellt sich Defoes Hauptfigur den widrigen Umständen und findet überdies, am hoffnungslosesten Ort überhaupt, zu Gott.“
Die Isolation als Einladung zur Reflexion
Ein Werk mit nachhaltiger Wirkung, wie Hayer überzeugend belegt: „Auf vielfältige Weise reflektiert das Genre zentrale Überlegungen der Condition d´humaine in der Moderne. Spätestens nachdem im Fin de Siècle zunehmend dystopische Vorausahnungen in die Literatur einziehen, erweist sich die Robinsonade als Projektionsfläche für allerlei Weltuntergangsszenarien. Arno Schmidt zeichnet etwa in „Schwarze Spiegel“ (1951) eine postapokalyptische Welt, in der ein einsamer Überlebender durch die Ruinen der Zivilisation vagabundiert, um Nahrungsmittel zu finden.“
Schön, dass auch ein Kultur-Experte den Kopf nicht hoffnungslos in den Inselsand steckt: „Dass wir der Epidemie nicht ohnmächtig ausgesetzt sind, veranschaulicht unser Fortschritt. Wir müssen die Isolation als Einladung zur Reflexion sehen. Selten waren Zeiten von so umfassender und elementarerer Wucht erfasst. Diese Kraft erfordert nun auch grundsätzliche Antworten. Aus unseren literarischen Inseln können wir nun lesen und nachdenken, um sie in besseren Tagen wieder zugunsten eines gemeinsamen Grundes zu verlassen.“
DT/ari
Björn Hayer über ein aktuelles Roman-Genre. Lesen Sie den ganzen Text in der kommenden Ausgabe der „Tagespost“. Holen Sie sich das ePaper dieser Ausgabe