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Nostalgie und Krise beim Deutschen Fernsehpreis

Symptomatisch: Jan Böhmermann bekommt eine Auszeichnung. Ein Abend des Abschieds vom Fernsehzeitalter, schreibt Henry C. Brinker.
Jan Böhmermann und Team bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2024
Foto: IMAGO/Frederic Kern (www.imago-images.de) | Ist doch nur fair, oder? Böhmi wird beim Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

Das Beste kam dann doch noch, zum Glück und ganz zum Schluss. Mario Adorf wurde für sein Lebenswerk mit einem Ehrenpreis belohnt. Zum persönlichen Interview mit ihm war die befreundete Kollegin Iris Berben nach Südfrankreich gereist- und hatte den großen Mimen in schwacher Verfassung erwischt. Adorfs stammelnde Antworten waren wohl nur arg zusammengeschnitten mit den Berben-Fragen brauchbar. Es kam später zu einem Nachdreh in Mario Adorfs Côte d’Azur-Villa: der 94-jährige Künstler in geradezu sensationeller Tagesform für einen 94-jährigen, nach eigenen Worten „kranken Mann“. Das sei wohl der letzte Preis in seinem Leben gewesen, schloss er seine Ausführungen. 

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Für die Fernsehzuschauer liefen noch einmal Ausschnitte von „Rossini“ über den „Großen Bellheim“ bis zum „Schattenmann“ und „Kir Royal“. Irgendwie war das nicht nur wie der Abschied von einem der ganz Großen des Fernsehzeitalters, es war auch wie der Abschied vom Fernsehzeitalter selbst. Denn was bei der diesjährigen Verleihung des deutschen Fernsehpreises als preiswürdig nominiert und dann auch noch prämiert wurde, war eine dünne Fernsehsuppe. Da half es auch nichts, dass die dralle Barbara Schöneberger nach einjähriger Fernsehpause fröhlich-frech ihr Bestes gab. Und das reichte wie immer bis zur wohlkalkulierten Grenze obszöner Geschmacklosigkeit. Ein Spruch des Abends: „Stellen Sie sich auf den Einsatz der Feuerwehr ein, sichern Sie die Rettungswege. Mein viel zu enges Kleid ist wie die Ampel-Koalition in Berlin: könnte jeden Moment platzen!“

Ausgerechnet Böhmermann

Reichlich Preiskategorien standen zur Prämierung an, wahrscheinlich auch deshalb, weil so viele Preisstifter zu bedenken waren. ARD, Deutsche Telekom, RTL, ZDF und SAT.1 sind schon von Anfang an dabei, 2023 kamen noch die Streaming-Anbieter Disney+, Netflix und Prime Video als auszeichnungshungrige Partner dazu. Die Entscheidungen über die Vergabe traf eine Fachjury unter dem Vorsitz des Produzenten Wolf Bauer. 

Bei den Hauptpreisen wirkte schon bedenklich, dass ausgerechnet Jan Böhmermann mit seiner schwachen Show „Lass Dich überwachen“ ausgezeichnet wurde, für ihn und das ZDF eine durchaus hochwillkommene Schützenhilfe bei einem schwelenden Rechtsstreit, die Tagespost berichtete kürzlich.

Absetzbewegung von der linksgrünen Agenda?

Sieger des Abends wurde die ARD-Serie „Die Zweiflers“, eine Komödie rund um einen jüdischen Geschäftsmann in Frankfurt, der sein altes Delikatessen- und Catering-Imperium gegen den Willen der Familie verhökern will. Die Zweiflers-Produktion wurde ausgezeichnet als beste Serie, dazu die große Sunnyi Melles als beste Schauspielerin und Aaron Altaras als bester Schauspieler. Mit jüdischem Hintergrund auch der prämierte Mehrteiler „Ich bin Margot Friedländer“, die Jury hätte hier schon aus Respekt vor der Lebensleistung der Holocaust-Überlebenden kaum eine Wahl gehabt. Als bestes Infotainment ging die Putin-kritische Russland-Serie „Tracks East“ vom Platz, zu Recht. Eher zu Unrecht nominiert war dagegen die umstrittene Show „Die 100 – was Deutschland bewegt“. Verdient scheint der Förderpreis für die junge Tel-Aviv-Korrespondentin Sophie von der Tann und wohl auch die Auszeichnung für Sandra Maischberger. Sie ging zum dritten Mal mit derselben Trophäe nach Hause, durchaus ein Armutszeugnis für das Genre „Information“, wo sogar das erfolglose „Hart aber fair“ mit Louis Klamroth nominiert war.

Anschauungsunterricht für die Krise politischer Fernsehberichterstattung gabs im Anschluss an die Fernsehpreis-Show. Julia-Niharika Sen interviewte denkbar scharf und ungewohnt rücksichtslos einen zerknirschten Vizekanzler Robert Habeck. Man reibt sich die Augen: Hat nicht das Deutsche Fernsehen lange Jahre die linksgrüne Politik-Agenda, die jetzt krachend gescheitert ist, entscheidend mitgeprägt und propagiert? Zwei Drittel der öffentlich-rechtlichen Journalisten sind nach eigener Einschätzung links oder links-alternativ, so Studien. Nun kann es mit den Absetzbewegungen gar nicht schnell genug gehen.

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