Die französische Erfolgsserie „ Call My Agent “ (Original: „ Dix pour cent “) porträtierte eine Schauspielagentur im Herzen von Paris. In den vier Staffeln (2015 - 2021) zeigte sie parallel zu den Intrigen im Büro ein Schaulaufen bekannter Schauspieler – von Juliette Binoche, Isabelle Huppert, Sigourney Weaver und Monica Bellucci bis hin zu Jean Reno, Jean Dujardin, Christopher Lambert oder José Garcia. Sie alle spielten mit spürbarer Lust überspitzt sich selbst. Nun wagt Disney+ mit „ Call My Agent: Berlin “ die Adaption des Formats . Das Kreativteam um Johann Buchholz und Henning Kamm verleiht dem Stoff eine frische, berlinerische Note. „ Schon seit der ersten Begegnung mit der (französischen) Serie wollte ich eine deutsche Adaption realisieren “, erklärt Buchholz gegenüber „ Blickpunkt: Film “ . Der Weg dahin habe „ einige Jahre “ gedauert .
Ein Fegefeuer der Eitelkeiten
Im Mittelpunkt steht die fiktive Agentur „Stern“, gelegen in stilvollen Räumen am berühmten Ku’damm. Nach dem plötzlichen Tod von Gründer Richard Stern (Sven-Eric Bechtolf) droht das Imperium unterzugehen. Finanzielle Turbulenzen, der schwindende Glanz verdienter Stars und ein erbitterter Machtkampf um die Nachfolge lassen die glänzende Fassade bröckeln. Genau hier entfaltet die Serie ihren Mix aus Intrige und Satire: ein Fegefeuer der Eitelkeiten mit Berliner Schnauze. Wie im französischen Original folgt auch die deutsche Adaption einem bewährten Konzept: Jede Folge widmet sich einem prominenten Gast, der sich in einen Konflikt mit dem eigenen Image verstrickt. Gleich zu Beginn verliert Moritz Bleibtreu in einer Talkshow mit Johannes B. Kerner die Nerven und muss dann schlucken, als ein Christopher-Nolan- Film ihn – zu alt, höchstens mit Botox zugelassen – wieder auslädt. Ein Schlaglicht darauf, wie fragil Ruhm tatsächlich se in kann.
In ähnlichem Ton geht es weiter: Veronica Ferres versucht sich in Stand-Up-Comedy; Frederick Lau schwärmt von Emilia Schüle; Katja Riemann zeigt eine ungewohnte sanfte Seite; Heiner Lauterbach darf den Altstar mit großem Ego geben . Oft trifft das Konzept ins Schwarze; manchmal jedoch wirkt die Selbstironie zu vorsichtig, um ganz an die fulminante Vorlage aus Paris heranzureichen . Doch das Herz der Serie schlägt für die Agenten selbst. Die facettenreiche Karin Hanczewski gibt mit Sascha Massko eine „Meisterin der Manipulation “, die wie die französische Original-Figur Andréa lesbisch und promiskuitiv ist. Lucas Gregorowicz überzeugt als ambitionierter, aber zaudernder Co-Chef, Michael Klammer spielt den allzu höflichen Berater, Dana Herfurth die Nachwuchsagentin Sophie Goldbach. Und Gabrielle Scharnitzky gibt der altehrwürdigen Grand Dame ein würdiges Gesicht – samt Hund „Werner Herzog“, ein verspieltes Augenzwinkern zum französischen Original ( „Jean Gabin“) . Dass sich die Stars der Branche selbstironisch aufs Korn nehmen, verleiht der Serie eine eigentümliche Glaubwürdigkeit. Heike Makatsch möchte nicht länger nur als Prominente wahrgenommen werden, sondern „als Mensch“. Iris Berben denkt laut über ihren Rückzug nach, während Jürgen Vogel , Nilam Farooq oder Samuel Finzi mit kleinen Auftritten glänzen. Die Stars begegnen sich – und dem Publikum – in ganz neuen Rollenbildern, fernab gewohnter Klischees.
Die glänzende Oberfläche steht im Mittelpunkt
Freilich ist auch hier vieles sorgfältig inszeniert. Die Agenturräume gleichen edlen Kanzleien, die Outfits der Agenten sind eigens als Kollektion bei Ebay erhältlich. Die glänzende Oberfläche steht im Mittelpunkt – darauf weisen die Macher ausdrücklich hin. Unter der Oberfläche thematisiert die Serie jedoch Veränderungen der Branche: Das Zeitalter der Influencer ist angebrochen, und einstige Leinwandgrößen müssen um Relevanz ringen . „Alles ist verhandelbar“ – dieses Motto zieht sich wie ein roter Faden durch die Serie. „Call My Agent: Berlin“ blickt entwaffnend ehrlich auf ein Geschäft der doppelten Böden und gebrochenen Versprechen, bewahrt sich aber stets eine tiefe Liebe für die Kunstform Film. „Im Kino erleben wir Momente, die das Leben nicht bieten kann“, sinniert eine Agentin, „und wir sind es, die diese Geschichten ermöglichen.“ Genau dieses Spiel zwischen Persiflage und Hommage macht die Serie zum Vergnügen. Showrunner Buchholz bringt es auf den Punkt: „Zwischen den Agenten herrscht permanent Ausnahmezustand – Nacht der langen Messer. Aber diese Strategen betreuen Klienten, deren Allüren und Eitelkeiten für reichlich Zündstoff sorgen. Darin liegt das komische Potenzial.“
Unterm Strich ist „Call My Agent: Berlin“ eben keine blasse Kopie, sondern eine eigenständige Variation – mit Spaß am Metier, überraschenden Gastauftritten und Drehbüchern, die wissen, wann ein Augenzwinkern angebracht ist. Ob sie die Klasse des Originals erreicht? Das bleibt Geschmackssache. Sicher aber ist: Die deutsche Serienlandschaft hat selten mit solcher Lust auf Stil und Selbstironie in den Spiegel geblickt.
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