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Der Döpfner-Liberalismus

Die Skandalisierung der Chats des Springer-Chefs zielt auf dessen Gesinnung ab. Die ist nicht links. Aber auch nicht konservativ.
Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE Mathias Döpfner
Foto: Kay Nietfeld (dpa) | Ganz offensichtlich steht für viele Linke bis Linksliberale der Name „Döpfner“ für eine publizistische Richtung, die ihnen Unbehagen bereitet.

Schon seit ein paar Tagen halten die von der „Zeit“ enthüllten privaten Chat-Nachrichten von Springer-Chef Mathias Döpfner die Republik in Atem. Es ist für jeden etwas dabei: ein bisschen was Schmuddeliges für den Boulevard. Döpfners Ossi-Bashing liefert Futter für diejenigen, die sich gerne moralisch empören. Und über Medientheorie lässt sich auch noch philosophieren: Ist es legitim, private Nachrichten zu veröffentlichen? Schließlich hat Döpfner mit seiner Entschuldigung auch noch selbst einen dramaturgischen Endpunkt gesetzt. Damit könnte nun Schluss mit der Debatte sein und wir könnten entspannt abwarten bis irgendein Drehbuchschreiber aus der Geschichte eine Netflix-Serie macht, Arbeitstitel: „Der Verleger“ mit Sebastian Koch in der Rolle von Döpfner.   

Symptom für die Verschiebung des Meinungsspektrums

Der Fall ist aber mehr, er ist ein Symptom dafür, wie sich das Meinungsspektrum in Deutschland verschiebt und wie diese Veränderungen Kämpfe um die Deutungshoheit auslösen. Skandalisiert werden soll Mathias Döpfners Welt-Bild. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: „Welt“ und „Bild“ – das sind die beiden Medien-Marken mit denen Springer auf die öffentliche Meinung Einfluss nimmt. Und wie die das machen, das bestimmt der Verleger. Was Verleger denken, ist also keine Privatsache, sondern eine Machtfrage. So stellt sich das zumindest Otto Normalverbraucher vor, der irgendwann schon einmal ein „Enteignet Springer“-Schild in einer ÖRR-Doku über „68“ gesehen hat.

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Das ist natürlich viel zu unter-komplex. Trotzdem: Die Verbindung von Macht und Pressefreiheit ist ein altes Thema – das sich wie ein Leitmotiv durch die Geschichte der Bundesrepublik zieht. Klar muss dabei aber immer sein: Wer Machtzusammenballung kritisiert, hat selbst ein Machtinteresse. Kurz: Wenn die sonst so hanseatisch vornehme „Zeit“ nun hier so robust den Chef des Konkurrenz-Konzerns angeht, dann geht es hier auch um die Oberhoheit um die öffentliche Meinung. Ganz offensichtlich steht für viele Linke bis Linksliberale der Name „Döpfner“ für eine publizistische Richtung, die ihnen Unbehagen bereitet.

Warum? Diese Richtung ist nicht links. Aber allen, die jetzt Angst bekommen, wie auch denen, die nun zu jubeln beginnen, muss man sagen: Schaut doch einmal genau hin. Das Welt-Bild, das Döpfner in seinen Chats zeigt, grenzt sich sicherlich von dem ab, was der linksliberale Mainstream als Mitte vordefiniert. Der Fehler dieser Mainstream-Liberalen liegt darin, ihre Richtung als allein gültige Form des Liberalismus gelten lassen zu wollen. 

Echte Liberalität ist Mangelware

Döpfners Variante ist im Vergleich dazu handfester, konsequenter, in gewisser Weise angelsächsischer. Dass das schon ausreicht, um bei Linksliberalen Panik auszulösen, beweist: In Deutschland wollen zwar alle gerne irgendwie „liberal“ sein, aber echte Liberalität ist Mangelware. Kurz: Döpfner ist kein rechter Dunkelmann. Das ärgert freilich auch manche, die jetzt Döpfner lautstark verteidigen und in ihm einen Gesinnungsgenossen erkennen wollen, weil er auch zum Opfer des bösen linksgrünen Mainstreams geworden sei.

Döpfner ist ganz sicher kein Rechter. Noch nicht mal ein Konservativer. Und auch Christen, die jetzt glauben, in Döpfner einen Gleichgesinnten erkennen zu können, sollten aufpassen. Sicher, der Döpfner-Liberalismus hat eine ähnliche kritische Sicht auf „Wokeismus“ und „Cancel Culture“ wie konservative Christen. Aber in gesellschaftspolitischen Fragen dürfte das ganz anders aussehen. Döpfner ist weder ein Dunkelmann noch eine Lichtgestalt. Sondern einfach nur ein Verleger, dem persönliche Freiheit wichtig ist. Und der, so wie jeder andere deutsche Bürger auch, das Recht hat, in privaten Nachrichten zu schreiben, was er will.

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Sebastian Sasse

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