Steve Bannon ist jetzt „Bundeshäftling 05635-509“. Seit gut einer Woche sitzt der einstige Chefstratege des früheren US-Präsidenten Donald Trump seine viermonatige Haftstrafe in einem Gefängnis im Bundesstaat Connecticut ab. Der Grund: Der 70-Jährige weigerte sich, im Zuge der Aufarbeitung des Sturms auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 vor dem Untersuchungsausschuss des Kongresses zu erscheinen und hielt für die Ermittlungen relevante Dokumente zurück.
Bannon, einst Leiter des Nachrichtenportals „Breitbart“, dem Sprachrohr der „Alternativen Rechten“ (Alt Right), gilt noch immer als einflussreiche Größe im „MAGA“-Orbit, also im Milieu der Trump-Anhänger. Er soll regelmäßig im Austausch mit Trump stehen und den abermaligen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner auch vor der jüngsten Fernsehdebatte mit Joe Biden beraten haben.
Vier Stunden täglich auf Sendung
Die größte Wirkung erzielt Bannon jedoch schon seit einigen Jahren mit seinem politisch-aktivistischen Podcast „Bannon’s War Room“. Gestartet 2019 im Zuge des ersten Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump, fand das Format schnell eine begeisterte Anhängerschaft. Vier Stunden täglich ist Bannon auf Sendung, entfaltet die Weltsicht des MAGA-Lagers, spricht mit republikanischen Politikern, Geldgebern, Medienvertretern und Intellektuellen – und lanciert Geschichten und Theorien, die einer Faktenprüfung oft kaum standhalten würden. Kritiker werfen Bannon vor, mit seinem Podcast Populismus und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Seine Anhänger lieben ihn genau dafür. „Bannon’s War Room“ ist sozusagen das Herdfeuer für eingefleischte Trump-Fans, eine beliebte Anlaufstelle für Infos, Gerüchte und Klatsch aus der Szene.
Während Bannons Zeit im Weißen Haus soll sein Verhältnis zu Trump und anderen Kabinettsmitgliedern nicht immer unbeschwert gewesen sein. War er in den Jahren 2015 und 2016 noch maßgeblich als „graue Eminenz“ im Hintergrund an Trumps Wahlsieg beteiligt, fiel er dem sich schnell drehenden Personalkarussell während Trumps Amtszeit schon nach wenigen Monaten zum Opfer. Im Rückblick eine Win-Win-Situation für beide: Seit Bannon nicht mehr Mitglied des „Inner Circle“ und somit nicht an die Beschränkungen eines offiziellen Postens gebunden war, konnte er nach Belieben schalten und walten, Stimmung machen und Wahlkampf von außen betreiben.
Bis jetzt. Denn hinter Gittern wird Bannon seinen Podcast nicht selbst weiterführen können. Doch er hat vorgesorgt. In den nächsten Monaten soll stattdessen ein Team von Vertrauensleuten die Moderation des täglichen Sendemarathons übernehmen. Darunter befinden sich einige illustre Namen, beispielsweise Andrew Giuliani, der Sohn von Trumps berüchtigtem Ex-Anwalt Rudy Giuliani, die Nichte von Osama bin Laden, Noor bin Laden, sowie Bannons Tochter Maureen.
Trump wird von Bannons Verhaftung profitieren
Profitieren wird von Steve Bannons Verhaftung unterm Strich einer: Donald Trump. Denn ähnlich wie sein einstiger Chef beherrscht Bannon das Spiel mit der Opferrolle. „Ich bin ein politischer Gefangener“, erklärte er unmittelbar vor Haftantritt. Die Demokraten wollten ihn vor der Wahl kaltstellen. Damit dürfte er im Trump-Lager weitere Wähler mobilisieren.
In die Freiheit entlassen wird Bannon wieder Anfang November – wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl. Schon jetzt frohlockt man im Trump-Lager, dies sei genau der richtige Zeitpunkt, um auf den letzten Metern noch einmal die Werbetrommel für Trump zu rühren. Im Falle eines Wahlsiegs des Republikaners wäre Bannon dann wieder nah an den Schalthebeln der Macht, um die politische Landschaft nach seinen Vorstellungen umzukrempeln.
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