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Vita Antonii: Abenteurer in der Wüste

In der Reihe "Fontes Christiani" ist die deutschsprachige Neuübersetzung der "Vita Antonii" erschienen.
Wüste in Israel
Foto: KNA | Die Wüste ist seit der Zeit Jesu der Ort, an dem der Mensch mit sich ringt und Gott findet.

Kein christliches Schriftwerk, so behauptete Adolf von Harnack einmal, habe „verdummender“ auf die Welt gewirkt als die Vita des Mönchsvaters Antonius. Neben dem Reliquienkult trage die „Vita Antonii“ die „Hauptschuld an dem Einzug der Dämonen, der Mirakel und alles Spuks in die Kirche.“ Ein anderer kritischer Kopf, Hans Conrad Zander, würdigt hingegen den Ausbruch des Wüstenvaters aus dem weltlichen Treiben. „Wer sinnenhaft hinauswill aus der grünen Oase unserer beschränkten Welt hinaus in jene grenzenlos andere Wirklichkeit des Himmels, der ziehe allein in die Wüste und wage das Experiment der Einsamkeit. Antonius der Große hat es als Erster gewagt.“ Zwei Meinungen über eine Person, wie sie unterschiedlicher nicht ausfallen könnten.

An das Leben des Wüstenvaters Antonius angenähert

Wer sich selbst ein Bild machen will, dem bietet sich nun dazu die beste Gelegenheit. Für die Reihe der „Fontes Christiani“ hat Peter Gemeinhardt, seines Zeichens Patristik-Spezialist an der evangelisch-theologischen Fakultät in Göttingen, die von Athanasius von Alexandrien verfasste Hagiographie neu ins Deutsche übertragen. Das sorgfältig erarbeitete Register, das neben Verweisen auf Sachen, Personen und Bibelstellen auch griechische Grundbegriffe enthält, verdient besondere Wertschätzung.

Über mehrere Veröffentlichungen schon hat sich Gemeinhardt an das Leben des Wüstenvaters Antonius angenähert. Seine Einleitung und die kritischen Anmerkungen zeugen vom Gelehrtengeist, der sich mit einem Mönch beschäftigt, der den Zeugnissen zufolge selbst des Lesens nicht mächtig gewesen sein soll.

Daher ist es äußerst entdeckungsreich, die Vita zunächst einmal als eine intensive Auseinandersetzung mit den Lebensphilosophien des vierten Jahrhunderts zu lesen, wie es Gemeinhardt in den dichten Fußnoten tut. Ein Beispiel: Als zwei heidnische Philosophen Antonius in seiner Einsiedelei auf die Probe stellen wollen, verständigt er sich mit ihnen durch einen „Dolmetscher“.

Dem Christentum ist nicht rein philosophisch beizukommen

Der ägyptische Eremit Antonius sprach also wohl Koptisch mit den „Hellenen“. Dank Gemeinhardt erfährt man: „Athanasius macht mit dieser Bemerkung deutlich, dass sich der Eremit nicht auf das Terrain der Philosophen begibt, sondern sie vielmehr mit seinen natur- beziehungsweise gottgegebenen Fähigkeiten widerlegt.“ Dem Christentum ist nicht rein philosophisch beizukommen, den Philosophen wird es weiterhin Torheit bleiben. Überzeugungskraft gewinnt Christsein indes erst, wenn es mit Leben angereichert wird.

In seinem Leben war Antonius vielen Versuchungen ausgesetzt. Für die dafür verantwortlichen Dämonen hat er nur Verachtung übrig. Antonius verankert die christliche Tugend in der Standhaftigkeit der Liebe Gottes. Wenn die Dämonen uns nämlich „dergestalt antreffen, dass wir uns im Herrn freuen und die kommenden Güter bedenken ... und gemeinsam bedenken, dass alles in der Hand des Herrn ist und der Dämon nichts gegen den Christen vermag, ... wenden sie sich beschämt ab.“

Das alles hört sich weniger sonderbar an, als Harnack einer preußisch-aufgeklärten Christenheit weismachen wollte. Wohl jeder Christ macht in seinem Leben die Erfahrung der inneren wie der äußeren Glaubensanfechtungen.

Eines der meistgelesenen Werke des Mittelalters

Frühere Generationen erlernten an der Vita Antonii, wie damit umzugehen sei. Nicht grundlos avancierte Athanasius' Schrift zu einem der meistgelesenen Werke des Mittelalters. Eines der vielen Lehrbeispiele aus dem Heiligenleben ist jene Szene, in der Antonius von Dämonen geschwächt nur im Bett liegen kann. Nach dem Gebet sagt er mit lauter Stimme: „Hier bin ich, Antonius! Ich fliehe nicht vor euren Schlägen. Und wenn ihr auch noch Ärgeres tut, nichts ,wird mich trennen von der Liebe Christi‘ (Römer 8, 35).“

Athanasius († 373) schrieb die Vita wohl unmittelbar nach dem Tod des Antonius im Jahr 356. Bedenkt man, dass uns bereits mehr als zwanzig Jahre vom Tod Mutter Teresas trennen, dann wird erst offenbar, welchen ursprünglichen Geist diese Schrift eigentlich atmet.

Sofern Christen noch ihre Spiritualität von den Fundamenten her aufbauen und sich dadurch erbauen lassen wollen, gehört diese herausragende Neuübersetzung unbedingt in deren Bibliothek.

Athanasius von Alexandrien: Vita Antonii. Leben des Antonius. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Peter Gemeinhardt (Fontes Christiani, Band 69), Herder, Freiburg 2018, ISBN 978-3-451-30974-8, EUR 50,–

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