Seine Bekanntheit ist im englischsprachigen Raum immer noch weit größer als bei uns. Weil er nicht nur als Schriftsteller hervortat, sondern ein politischer Philosoph war, wird Henry David Thoreau (1817–1862), von Vielen in Anspruch genommen: Als Natur-Poet, Staatsverweigerer, Gegner von Sklaverei und Militärdienst; als früher Veganer ist er zu einer Identifikationsfigur der Linken geworden. Doch Thoreau will als freier Mann in der von Gott geschenkten Natur leben. Hier spürt man das Selbstbewusstsein eines Amerikaners der zweiten Generation, der sich frei von Obrigkeit dünkt.
Weisheit bedeutet für Thoreau, sich mit den kleinen Dingen zu begnügen
Weisheit besteht für Thoreau darin, sich mit den „kleinen Dingen“ zu begnügen. Auch wenn ihn die Natur-Wissenschaft in des Wortes ureigentlicher Bedeutung interessiert, ist ihm klar, dass das wirklich Wichtige nicht „gewusst“ werden kann. Es muss erlebt werden, im engen Kontakt mit der Schöpfung; dann erst kann einem etwas aufgehen. Schauen ist allemal wichtiger als räsonieren. Es ist schwer, diesen außergewöhnlichen Waldläufer und Schriftsteller, der anstrebte, „aus meinem Leben ein Sakrament zu machen“, bei einem bestimmten Glauben, einer bestimmten Haltung einzuordnen. Das dürfte Teil seiner Faszination sein. Die mit einem hilfreichen Nachwort versehene Ausgabe des Tagebuches von 1851 hilft, ihm auf die Spur zu kommen.
Henry D. Thoreau: Tagebuch III; übersetzt von Rainer G. Schmidt, mit einem Nachwort von Dieter Schulz. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2018, 409 Seiten, ISBN 978-3-95757-172-4, EUR 26,90
DT/ari
Lesen sie die Rezension in voller Länge in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 23. August.