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Großbritannien will Meinungsfreiheit besser schützen

Ein Ombudsmann im Bildungsministerium soll der Cancel Culture an Universitäten entgegentreten. Während Linke protestieren, zeigen sich andere hocherfreut über das Vorhaben der Regierung.
Britischer Bildungsminister Gavin Williamson
Foto: House Of Commons (PA Wire) | „Ich bin sehr besorgt über den abschreckenden Effekt auf dem Campus durch inakzeptables Mundtotmachen und Zensur", erklärte der britische Bildungsminister Gavin Williamson.

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Universitäten Orte der freien Rede, der Meinungs- und Forschungsfreiheit sind. Doch dem ist nicht so. In Deutschland hat sich erst vor kurzem ein Netzwerk Wissenschaftsfreiheit von 70 Professoren und Professorinnen gegründet, die besorgt sich, dass eine linke Political Correctness und Cancel Culture ein Klima der Einschüchterung an den Hochschulen erschaffe.

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Inakzeptables Mundtotmachen und Zensur

In Großbritannien ist man schon einen Schritt weiter. Dort gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe von aufsehenerregenden Fällen von Cancel Culture. Vorträge wurden wegen lautstarker Proteste von Linken oder „Transgender“-Gruppen abgesagt. „No-Platforming“ wird die Praxis genannt, unliebsamen Ansichten oder Rednern die Redefreiheit zu entziehen.

Nun plant die konservative Regierung die Einsetzung eines „Free Speech Champion“, eine Art Ombudsmann, der bei Fällen von Cancel Culture und Einschränkung von akademischer Freiheit einschreiten soll. Bildungsminister Gavin Williamson sagte: „Ich bin sehr besorgt über den abschreckenden Effekt auf dem Campus durch inakzeptables Mundtotmachen und Zensur.“ Akademiker, die ihre Stelle wegen solcher Streitfälle verlieren, können sich direkt an den neu geschaffenen Abteilungsleiter im Studentenbüro wenden und Schadenersatz fordern. Die existierenden Garantien für die Meinungsfreiheit sollen gestärkt werden.

Das Echo war laut und gespalten

Das Echo auf den Vorstoß von Bildungsminister Williamson war laut – und gespalten. Auf der Linken waren indignierte Reaktionen zu hören. Die Universitätsgewerkschaft UCU erklärte die Cancel Culture zu einer „Phantombedrohung“ und meint, die Regierung greife zu Unrecht ein. Auch die linksdominierte Nationale Studentenunion sagte, es gebe keine Belege für eine Gefährdung der Meinungsfreiheit. Peter Tatchell, ein langjähriger Schwulen- und Menschenrechtsaktivist, sagte der BBC, die Regierung nutze ein heikles Thema für einen „zynischen Kulturkampf“ und ihren politischen Vorteil.

Andere zeigten sich dagegen hocherfreut über das Vorhaben der Regierung. „Dies ist ein historischer Moment für die Freiheit der Rede“, schrieb Eric Kaufmann, Politikprofessor am Birkbeck College der Universität London, in einem Kommentar im „Daily Telegraph“. Mit dem Weißbuch der Regierung werde die akademische Freiheit endlich wieder höher gewichtet als die „emotionale Sicherheit“ von Gruppen die sich beleidigt fühlten, was ein subjektiver Begriff sei, der ideologisch manipuliert werden könne. Es herrsche an den Unis ein illiberales Klima, das von zensorischen Gruppen angeheizt werde. Gemeint ist damit, dass an Universitäten mit Verweis auf „Safe Spaces“ für alle „verletzlichen“ Gruppen die Debatte von Ansichten unverbunden wird, die dem eher linken Mainstream entgegenstehen. Kaufmann hatte im vergangenen Jahr eine Studie zu dem Thema erstellt. In einer großen Umfrage hatten vor allem konservative und rechte Dozenten geklagt, dass sie aus Angst vor Angriffen zur Selbstzensur griffen. Andere schilderten, dass Brexit-Anhänger gemobbt würden.

Versagt, die akademischen Freiheiten zu schützen

In mehreren Leserbriefen an die „Times“ lobten Professoren und Dozenten die Pläne des Bildungsministeriums. „Die britischen Universitäten haben versagt, die akademischen Freiheiten zu schützen“, schrieben Matthew Goodwin von der Kent University, Vernon Bogdanor vom King’s College und die Philosophin Kathleen Stock von der Sussex University mit anderen. Die Oxford-Historikerin Selina Todd, die selbst schon wegen angeblich „transphober“ Ansichten von einer Frauenkonferenz ausgeladen worden war, verwies in einem Brief darauf, dass ihre Universität die „Diversity“-Agenda der LGBT-Lobbyorganisation Stonewall unterzeichnet habe. Darin stehe, dass die „Gender-Identität“ mit der Geburt „zugewiesen wird“. Wer darauf beharre, dass biologisches Geschlecht existiere, könne angegriffen werden, beklagte Todd.

Auch die christliche Organisation ADF International begrüßte das Weißbuch des Bildungsministeriums für die Meinungsfreiheit als Schritt in die richtige Richtung. ADF-Direktor Ryan Christopher verwies dabei auf den Fall der Medizin- und Hebammenstudentin Julia Rynkiewicz, eine Abtreibungsgegnerin, die an der Universität Nottingham eine „Students for Life“-Gruppe gegründet hatte und daraufhin wegen ihres Glaubens vom Studium suspendiert wurde. Die Uni-Leitung ließ sie später wieder weiterstudieren. Sie fordert aber noch eine Entschuldigung.

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Claudia Hansen ADF International Meinungsfreiheit

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