Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Filmrezension „Ezra“

Eine wunderbare kleine Filmperle

In „Ezra“ widmen sich Bobby Cannavale, Robert De Niro und Whoopi Goldberg engagiert dem Thema Autismus.
Bobby Cannavale
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Hat im Film nicht viel zu Lachen: Bobby Cannavale spielt in „Ezra – Eine Familiengeschichte“ Familienvater Max, für den es alles andere als rund läuft.

Man kann als Vater oder Mutter ziemlich viel in der Erziehung seiner Kinder verkehrt machen. Das sehen wir im Kino auch in der Tragikomödie „Ezra – Eine Familiengeschichte“ von Regisseur, Filmproduzent und Schauspieler Tony Goldwyn („Betty Anne Waters“), der in seinem neuen Film auch eine Nebenrolle hat. Eltern zu sein, bedeutet manchmal auch gegen seine eigenen erzieherischen Dämonen aus der Vergangenheit anzukämpfen, mit Schuld- und Ohnmachtsgefühlen zu leben oder auch sein Kind unbewusst als Therapie-und Partnerersatz zu gebrauchen. Dies muss in „Ezra“ auch der Mitvierziger Max (Bobby Cannavale, „I, Tonya“, „The Irishman“) erkennen: In „Ezra“ verdient der von Cannavale gespielte Stand-up-Comedian sein Geld mit Witzen, hat aber in seinem Leben momentan nicht viel zu lachen.

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Es läuft alles andere als rund für Max. Seine Komiker-Karriere dümpelt grade so vor sich hin, seine Frau Jenna (Rose Byrne, die im realen Leben mit Cannavale liiert ist) hat sich von ihm getrennt und dabei gleich auch den gemeinsamen elf jährigen Sohn Ezra (William A. Fitzgerald), der Autist ist und Merkmale des Asperger-Syndroms besitzt, mitgenommen. Nun lebt er wieder bei seinem ruppigen Vater Stan (Robert De Niro) mit dem ihn eine angespannte Vater-Sohn Beziehung verbindet. Als Ezra wegen wiederholter Verhaltensauffälligkeiten von seiner Schule fliegt und Jenna der Meinung ist, dass ihr Sohn in einer Förderschule besser aufgehoben wäre und medikamentös behandelt werden sollte, ist Max komplett dagegen: Er will Ezra nicht auf eine Sonderschule schicken, denn er möchte es sich nicht eingestehen, dass sein Sohn anders ist als andere Kinder. Das wiederum führt immer wieder zu Streit mit seiner Ex-Frau und auch zu gefährlichen Situationen für Ezra.

Max liebt seinen Sohn über alles, selbst wenn er ihn ins Bett bringt und dabei akzeptieren muss, dass sein Sohn ihn nicht umarmen will, sondern ihm nur mit einem „Du kannst jetzt gehen“-Satz signalisiert, dass er zum Schlafen bereit ist. Er liebt ihn auch wenn sein Sohn ihm die Liebe nicht so zeigen kann, wie er es sich wünschen würde. Er liebt ihn auch, wenn er einen ganzen Tag lang nur Filmzitate als Antworten auf seine Fragen hört. „Für Max ist sein Sohn eine Art Superheld, weil Ezra die Gabe besitzt sich nie zu verstellen, sondern stets ehrlich und wahrhaftig zu sein und das imponiert ihm, denn mit zunehmendem Alter verliert man diese kindliche Gabe als Erwachsener“, so Cannavale im Gespräch mit der „Tagespost“.

Ein Road-Trip mit Folgen

Doch eines Nachts läuft Ezra unvermittelt auf die Straße und wird dabei fast von einem Auto überfahren. Nun werden die Ärzte und das Jugendamt erst recht hellhörig und fordern Konsequenzen. Max rastet aus und darf sich daraufhin seinem Sohn erst einmal für eine gewisse Zeit nicht mehr nähern. Da er für sich keinen anderen Rat weiß, beschließt er kurzerhand Ezra in einer Nacht- und Nebelaktion zu kidnappen und auf einen Roadtrip quer durch den Mittleren Westen der USA mitzunehmen.

Dabei geht zunächst so ziemlich alles schief. Da Max nicht bereit ist umzukehren und seinen Sohn zurückzubringen, alarmiert Jenna nach ein paar Tagen besorgt die Polizei, welche direkt eine landesweite Suche einleitet. Als diese keinen Erfolg zeigt, macht sie sich selbst mit Hilfe von Ezras Großvater Stan, auf den Weg um ihren Sohn zu finden und nach Hause zu holen. Zugleich bekommt Max von seiner Agentin, gespielt von Whoopi Goldberg („Sister Act“, „Ghost“) die gute Nachricht, zum Vorsprechen bei Star-Moderator Jimmy Kimmel in seine Show eingeladen zu sein. Auf dem Weg dahin besuchen Max und Ezra alte Freunde, schlafen im Auto und lachen und streiten viel miteinander. Für beide wird die spontane Reise zu einem Trip voller Herausforderungen, bei dem sich Vater und Sohn ganz neu kennenlernen und auf ihre je eigene Weise ein Stück Heilung erfahren.

Wenn Söhne ihre Väter aufrichten

Mit der Zeit überwindet Ezra durch die Begegnung mit einem gleichaltrigen Mädchen seine Abscheu vor Bananen, die panische Angst vor metallenem Besteck und lässt sogar plötzlich Umarmungen zu. Max hingegen lernt zuzuhören, loszulassen und all die wichtigen Lektionen, die Väter meist zu spät lernen, besonders diejenigen, die es von Anfang an am besten wissen. „Ezra“ beginnt als ein Film über Väter und wird sukzessive zu einem Film über Söhne, die ihre Väter wiederaufrichten, wenn sie fallen. Väter lernen, die Fehler einzugestehen, die sie ein Leben lang gemacht haben und Söhne lernen, sie selbst zu werden. Wunderbar warmherzig und weise erzählt der Film damit von der bedingungslosen Liebe eines Vaters zu seinem Sohn und von den Herausforderungen, die das mit sich bringt. Dadurch wird er auf eine anrührende Weise zu einem starken Plädoyer für die Akzeptanz des Andersseins und für einen gelasseneren Umgang damit.

 

 

Dabei wird die mitreißende Geschichte von einem herausragenden Darsteller-Ensemble angeführt. Allen voran begeistert William A. Fitzgerald als 11-jähriger Junge mit seiner Darstellung der Autismus-Spektrum-Störung. Als Ezra liefert der Newcomer, der, wie Cannavale erklärt, selbst an einer Form des Autismus-Spektrums leidet, in seiner ersten Filmrolle eine sehr beeindruckende Performance ab. „(William) ist im realen Leben anders als seine Figur Ezra, denn er hat kein Problem damit Menschen zu umarmen oder anderen in die Augen zu sehen und konnte das dennoch sehr glaubhaft spielen.“

Ein engagiertes Ensemble vor und hinter der Kamera

Der bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzte Film scheint sowohl vor als auch hinter der Kamera ein Herzensprojekt aller daran Beteiligten gewesen zu sein. „Tony Goldwyns langjähriger Freund und Kollege Tony Spiridakis, schrieb das einfühlsame Drehbuch und konnte dabei tief aus eigenen Erfahrungen mit seinem autistischen Sohn schöpfen“, erklärt Cannavale. Aber auch Hollywood-Legende Robert De Niro hat einen Sohn im Autismus-Spektrum und legt als störrischer Vater und Großvater ebenfalls eine sehenswerte Altersperformance hin.

So verwundert es auch nicht, dass „Ezra – Eine Familiengeschichte“ als Bester Film auf dem diesjährigen Festival in Sun Valley und dem Boulder International Film Festival ausgezeichnet wurde, wo Bobby Cannavale für seine überzeugende Rolle auch den Preis als Bester Hauptdarsteller erhielt. Man merkt dem ambitionierten Film zu jeder Sekunde an, wie wichtig es ihm ist, das Thema Autismus in all seiner Vielschichtigkeit und Komplexität darzustellen, um der gesellschaftlichen Ausgrenzung autistischer Menschen entgegenzuwirken und für mehr Verständnis zu werben. „Denn“, so Cannvale, „Menschen, die eine  Autismus-Spektrum-Störung haben, werden oft ausgegrenzt, nicht verstanden und haben es schwer gesellschaftliche Anerkennung zu bekommen. Mir hat der Film jedenfalls geholfen mich in diese Welt des Autismus besser einzufühlen und mehr darüber zu lernen.“ Tony Goldwyn ist mit „Ezra – Eine Familiengeschichte“ eine wunderbare kleine Filmperle gelungen, aus der man viel lernen kann und die darüber hinaus auch sehr gut zu unterhalten weiß. 

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Themen & Autoren
Norbert Fink Lebensschutz

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