Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Filmrezension

Ein poetischer Animationsfilm über Hoffnung und Freundschaft

Der von der Tradition des tschechischen Puppenspiels inspirierte Animationsfilm „Tony, Shelly und das magische Licht“ spricht mit seinem Tiefgang auch erwachsene Zuschauer an.
Rezension „Tony, Shelly und das magische Licht“
Foto: Eksystent | Tonys Gesicht leuchtet wie eine Lampe. Shelleys Fantasie lässt Traumwelten entstehen. Die Freundschaft der zwei außergewöhnlichen Außenseiter vertreibt die Dunkelheit der Erwachsenenwelt.

Der Junge Tony wächst unter der Obhut überfürsorglicher Eltern auf. Seit seiner Geburt an das Zuhause gebunden, darf er das Mehrfamilienhaus nie verlassen und muss, sobald er seine Wohnung betritt, eine Maske tragen. Denn er leuchtet wie eine Lampe. Als isoliertes Kind sehnt er sich nach Gesellschaft.

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Seine Einsamkeit endet, als in das Haus Shelly einzieht, ein ungewöhnliches Mädchen, das mit ihrer Taschenlampe Fantasiewelten erschaffen kann. Aus ihren Lichtern sprießen Blumen und entstehen bunte Welten. Gemeinsam entfliehen die beiden Freunde in diese magischen Orte, die nur sie sehen können. Ihre Freundschaft wird jedoch immer wieder auf die Probe gestellt, besonders durch ein mysteriöses Schattenmonster, das durch das Haus schleicht und eine bedrückende Dunkelheit verbreitet. Schnell wird klar, dass dieses Wesen keine klassische Bedrohung ist, sondern ein Spiegel der Emotionen und unerfüllten Sehnsüchte der Hausbewohner.

Poetisch und bildstark

Tonys und Shellys Begegnungen mit dem Schattenwesen verdeutlichen auf poetische und bildstarke Weise, wie die negativen Gefühle der Menschen im Haus das Monster beeinflussen. Das Wechselspiel zwischen Licht und Dunkelheit spielt eine tragende Rolle, das nicht nur die Magie der kindlichen Fantasie repräsentiert, sondern auch als Metapher für die emotionale und psychologische Verfassung der Figuren dient. Während Tony und Shelly in ihrer Freundschaft Hoffnung und Freude finden, lernen sie, dass Licht nicht nur Helligkeit bedeutet und Dunkelheit nicht zwingend böse ist.

Der Stop-Motion-Stil verleiht der Geschichte zusätzliche Tiefe. Regisseur Filip Pošivač feiert mit „Tony, Shelly und das magische Licht“ sein Spielfilmdebüt, nachdem seine Kurzfilme auf vielen Festivals weltweit liefen. Seine detailreiche Inszenierung, inspiriert von tschechischem Puppenspiel, schafft eine lebendige Welt, die das Publikum in Tonys Alltag eintauchen lässt. Puppen und Kulissen sind handgemacht, mit Mimik und Gestik so präzise gestaltet, dass die Charakterzüge der Figuren lebendig werden. 

Besonders auffällig ist die Gestaltung des Hauses: Ein unheimlich wirkender Monolith inmitten einer verschneiten Stadt, in dem jede Etage eine eigene Geschichte erzählt. Das Treppenhaus, oft düster, reflektiert die Stimmung und verändert sich mit dem Licht, was die Spannung zwischen der Welt der Erwachsenen und der Kinder unterstreicht.

Über die Kraft von Freundschaft und Fantasie

Tonys und Shellys Spiel mit Licht und Dunkelheit symbolisiert die Kraft von Freundschaft und Fantasie. Shelly, die ihren Wellensittich in die Freiheit entlässt, steht selbst für Freiheit und Hoffnung. Auch Tony lernt, seine Gabe als Stärke zu sehen. Gemeinsam wachsen die beiden jungen Protagonisten über die Grenzen hinaus, die ihnen die Erwachsenenwelt setzt, lernen selbstbestimmt zu handeln und zeigen den Eltern, wie wichtig Loslassen ist.

Die poetische Puppenanimation, die klassische Themen wie Freundschaft, Akzeptanz und das Überwinden von Ängsten behandelt, spricht ebenso ein erwachsenes Publikum an, das sich in die komplexen Beziehungen und die vielschichte Erzählung vertiefen kann. Die visuelle Gestaltung wechselt zwischen tristen und lebendigen Bildern: Mal erstrahlt die Welt der Kinder in bunten Farben, wenn Shelly ihre Fantasie zum Leben erweckt mal sind die Szenen in düsteren Tönen gehalten, wenn der Schatten seine Macht entfaltet und das Licht zu verschlingen droht.

Pošivač bringt mit viel Liebe zum Detail und visueller Poesie eine neue Form des osteuropäischen Puppenfilms auf die Leinwand, die klassische Märchenmotive modernisiert und tiefgründige Themen einfängt.

„Tony, Shelly und das magische Licht“ wurde 2023 auf dem Festival in Annecy ausgezeichnet.

Themen & Autoren
José García Trickfilme und Animationsfilme

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