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Unkonventioneller Grusel für die Tik-Tok-Generation

Schräger schwarzer Humor, skurrile Figuren sowie opulente Sets und Kostüme machen die Netflix-Serie „Wednesday“ aus. Doch die zweite Staffel wirkt teilweise überladen und hat durchaus ihre Längen
Wednesday
Foto: Imago/Supplied by LMK | Bekannt für ihren starren Blick, ihre Vorliebe für Abgründiges und die Weigerung zu lächeln: die Serien-Hauptfigur Wednesday.

Die Addams Family ist seit 1938 nicht mehr aus der Popkultur wegzudenken. Damals veröffentlichte der Zeichner Charles Addams im „New Yorker“-Magazin Cartoons über eine etwas andere Familie, die mit ihrem Hang zum Morbiden, Makabren und Exzentrischen einen Gegenpart zur damaligen US-Vorzeigefamilie darstellte. Im Jahr 1964 folgte eine Fernsehserie und in den 90er Jahren schließlich einige Kino- und Animationsfilme. In der heutigen Zeit, wo Franchises, Fortsetzungen, Remakes und Spin-Offs beliebter Marken die Filmlandschaft dominieren, beschloss man, auch einzelnen kultigen Charakteren aus der Addams Family eine eigene Show zu widmen.

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Den Anfang machte 2022 die Addams-Tochter Wednesday, die bekannt ist für ihren starren Blick, ihre Vorliebe für Abgründiges und die Weigerung zu lächeln. Fast drei Jahre mussten die Fans nun auf die Veröffentlichung der zweiten Staffel des „Addams Family“-Ablegers „Wednesday“ warten. Doch das quälende Warten hat nun ein Ende. Am 06. August erschienen die ersten vier etwa einstündigen Episoden beim Streamingdienst Netflix, gefolgt von vier weiteren Folgen am 03. September. Die erste Staffel war weltweit die bis dato am meisten gestreamte Netflix-Serie. Sie traf durch ihre unkonventionelle und zynische Art den Nerv der Zeit und löste einen regelrechten Hype aus.

Zweite Staffel setzt nahtlos an

Die zweite Staffel setzt nun nahtlos dort an, wo die erste aufgehört hat. Nach den schrecklichen Ereignissen an der Nevermore Academy, wo sich einst Wednesdays Mutter Morticia (Catherine Zeta-Jones) und ihr Vater Gomez (Luis Guzmán) kennen- und lieben lernten, nutzt Wednesday Addams (Jenna Ortega) ihre Schulferien dazu, ihre hellseherischen Fähigkeiten zu trainieren und macht Jagd auf einen Serienkiller, der seine Opfer skalpiert. Zurück in Nevermore trifft sie auf alte Bekannte und neue Gesichter. Zudem erkennt sie dank ihrer übersinnlichen Gabe, dass ihre quirlige Zimmergenossin Enid (Emma Myers) in Lebensgefahr schwebt. Wenn sie nicht handelt, wird Enid bald ermordet werden. Diese darf von ihrer tödlichen Vision natürlich nichts erfahren, und so macht sich Wednesday, unterstützt von dem ihr treu ergebenen „eiskalten Händchen“, an die detektivische Arbeit und geht auf Killerjagd.

Ehe sie sich versieht, tauchen auch schon die ersten Leichen auf. Zu allem Überfluss kommt auch noch Pugsley (Isaac Ordonez), Wednesdays masochistisch veranlagter jüngerer Bruder, neu auf ihre Schule. Er befreit einen seit einigen Jahrzehnten verschollenen Schüler aus seinem Grab und kümmert sich um den Zombie, der unersättlichen Hunger nach menschlichen Gehirnen hat. Damit löst er unbeabsichtigt eine große Kettenreaktion aus.

Burtons Handschrift

Obwohl Regie- und Gruselmeister Tim Burton, wie schon bei der ersten Staffel, nur die Hälfte der neuen acht Folgen inszeniert hat, ist sein kreativer Geist in der ganzen zweiten Staffel zu spüren, sodass sie sich wie aus einem Guss anfühlt: schräger schwarzer Humor, haufenweise nerdige Verweise auf die Film- und Literaturgeschichte, skurrile Figuren, opulente Sets und Kostüme, sowie eine brillante Optik machen Burtons Handschrift aus und sind auch in „Wednesday“ sein unverkennbares Markenzeichen.

Wie bereits in Staffel eins geht es auch in der zweiten Staffel in einer an Harry Potter erinnernden Hogwarts-Umgebung um diverse Identitäts- und Beziehungskrisen junger X-Men-Außenseiter. Zudem werden die inhaltlichen Fäden der ersten Staffel weitergesponnen und neue, finstere Familiengeheimnisse offenbart. Was die zweite Staffel anders macht, merkt man vor allem in den ersten vier Folgen, wo viele neue Themen aufgemacht werden und Figuren, die in der ersten Staffel nur eine Randerscheinung waren, verstärkt in die Handlung integriert werden. Somit bekommen Wednesdays Bruder Pugsley, ihre Eltern, sowie ihr Onkel Fester (Fred Armisen), der sich als investigativer Maulwurf betätigt, mehr Raum.

Lag der Fokus in der ersten Staffel noch komplett auf ihr als introvertierter und düster-grimmiger Gothic-Kultfigur, die druckreife, philosophische One-Liner von sich gab, verlagert er sich durch zahlreiche andere Figuren und ihre undurchsichtigen Geschichten, zunehmend von Wednesday weg.
Nach Christina Ricci, die in den beiden Kinofilmen aus den Neunzigern das Gruftie-Mädchen verkörperte und in Staffel eins eine andere wichtige Rolle spielte, ist nun mit Christopher Lloyd, ein weiterer Star aus den Kinofilmen in das gruselig-komische Addams-Franchise zurückgekehrt. Diesmal aber nicht als Onkel Fester, sondern als Nevermore-Professor Orloff. Das Besondere an ihm als Lehrer ist, dass er nur noch aus einem Kopf besteht.

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Natürlich gibt es auch in der zweiten Staffel Wednesdays düsteres Cellospiel zu sehen sowie eine denkwürdige Tanzszene für die Tik-Tok-Generation. Zudem fährt die zweite Staffel erneut ein buntes Sammelsurium auf, bestehend aus gefräßigen Zombies, Krähen, Serienkillern, Werwölfen, „Hyde-Monstern“, geöffneten Gräbern, schaurigen Friedhöfen und jeder Menge weiterer Horror-Anleihen. Jedoch ziehen zu viele Nebenfiguren und Seitenstränge die zweite Staffel in der ersten Hälfte unnötig in die Länge. Erst ab der zweiten Hälfte nimmt sie dann wieder Fahrt auf, indem sie alle losen Handlungsfäden zusammenführt und den Fokus wieder auf Wednesday verlagert. Und von der werden wir hoffentlich bald noch mehr sehen, denn die Produktion der dritten Staffel wurde bereits von Netflix bestätigt.


Der Rezensent ist Pfarrer im Erzbistum Köln und schreibt über Filme, Serien sowie popkulturelle Phänomene.

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