Sieben Jahre nach Erscheinen der deutschen Übersetzung wird das von der Kritik hochgelobte Buch „Hillbilly-Elegie“ von J. D. Vance erneut zum Bestseller und befindet sich auf Platz eins der meistverkauften Bücher bei Amazon. Beim Ullstein-Verlag, der die deutschen Rechte an dieser bewegenden autobiographischen Geschichte innehatte, hätten angesichts dieser Entwicklung die Sektkorken knallen müssen. Stattdessen aber entschied man sich dazu, das vergriffene Buch nicht neu aufzulegen und die Rechte daran auslaufen zu lassen.
Die Begründung für diese schwer geschäftsschädigende Entscheidung scheint rein ideologischer Natur zu sein. Der einstige Trump-Gegner Vance ist, nachdem er eine politische 180-Grad-Wende vollzogen hat, inzwischen zum republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten an der Seite Donald Trumps gekürt worden. Das ist offenbar zu viel für Ullstein. Vance, so hieß es von Verlagsseite, vertrete „eine aggressiv-demagogische, ausgrenzende Politik“. Daher habe man beschlossen, den auslaufenden Vertrag mit dem Autor nicht zu erneuern.
„Go woke, go broke“
Einen deutlicheren Beleg für die ökonomisch selbstzerstörerischen Folgen des Wokeismus hat man selten gesehen. Sollte man bei Ullstein damit gerechnet haben, dass der linksgeneigte mediale Mainstream diese Entscheidung beklatschen und damit zumindest für einen moralischen Reputationsgewinn sorgen sollte, so hat man sich geirrt. Der Wind in Sachen Wokeness scheint sich langsam zu drehen. Selbst die Bundesvorsitzende der „Grünen“, Ricarda Lang, zeigte sich irritiert angesichts des Vorgehens von Ullstein. Auf „X“ schrieb sie dazu: „Das halte ich für keine kluge Entscheidung. Das Buch bleibt interessant und lesenswert.“
Nutznießer von Ullsteins Fehltritt ist der Münchner Kleinverlag „Yes“. Dort hat man bisher Titel wie Jörg Kachelmanns „Lexikon der Volksverdummung“ oder „OMG, ist das wahr?“ eines „Science-Influencers“ namens Wissensbert im Programm. Ein politisches Profil, insbesondere eines das nach rechts neigen würde, sucht man vergeblich. Offenbar ist dem Yes-Verlag schlicht ein kaufmännischer Coup geglückt.
Die Spur des Geldes
An dieser Stelle könnte man die Geschichte auch schon für auserzählt halten. Schaut man allerdings etwas genauer hin, zeigt sich noch eine auf den ersten Blick versteckte Pointe. Dazu muss man lediglich der Spur des Geldes folgen und fragen, wer hinter Ullstein und Yes steckt.
Ullstein gehört zum schwedischen Medienimperium Bonnier; Yes ist Teil der Münchner Verlagsgruppe, die wiederum wem gehört? Richtig: Bonnier. Aus Sicht des Mutterkonzerns wandern bei der ganzen Affäre also schlicht Buchrechte und Geld aus der linken in die rechte Tasche. Die Woken bekommen derweil ihr Haltungszuckerlein von den moralischen Saubermännern bei Ullstein, alle anderen dürfen sich über den Sieg eines Kleinverlags über den Wokeismus freuen. Am Ende aber tanzen alle nach der Pfeife des Kapitalismus.
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