In unserer Zeit der Kulturkämpfe geht es immer ums Eingemachte. Von der Gender-Sprache über den Geschlechtswechsel bis hin zu den Fragen von Krieg und Frieden. Immer heißt es nur noch: Alles oder nichts, sein oder nicht-sein, wenn schon, denn schon.
Das nervt die Menschen vermutlich überall in der Welt, in Deutschland kommt aber noch die Ernsthaftigkeit dazu. Früher hätte man auch von Tiefsinn gesprochen. Wenn die Deutschen einen auf Kulturkampf machen, dann aber richtig. Joachim Fest prägte einmal die schöne Formulierung für diese Stimmungslage: „Überall ist Armageddon“. Doch die Menschen scheinen zunehmend dem Schlachtenlärm überdrüssig. Die apokalyptischen Bilder – kommen sie nun von links oder rechts, sie werden nämlich von beiden Seiten versendet – will niemand mehr sehen.
Sprüche, die sie nie gesagt hatten
Diese Stimmung erklärt wahrscheinlich, warum in diesen Tagen besonders intensiv einer Stimme gedacht wird, die für eine ganz andere Tonlage steht: Rainer Brandt. Der 88-Jährige, der am 1. August gestorben ist, ist Deutschlands berühmtester Synchronautor und lieh zudem Jean-Paul Belmondo seine Stimme. Aber eigentlich war er noch viel mehr.

Am besten lässt es sich an seinem berühmtesten Werk beschreiben: „Die Zwei“ mit Tony Curtis und Roger Moore. Im Original war die Krimiserie ein totaler Flop. Nur in Deutschland wurde sie ein großer Erfolg. Und das lag an den Synchron-Drehbüchern von Brandt. Er legte Curtis und Moore Sprüche in den Mund, die diese zwar nie gesagt hatten, dafür aber der deutsche Volksmund schon bald heftig nachplapperte. Die bekanntesten von ihnen haben längst Kultstatus. „Sleep well in your Bettgestell.“ Oder: „Ab heute wird nicht mehr getrunken, aber auch nicht weniger.“ Fans können seitenweise zitieren.
Die Sehnsucht nach Armageddon verbindet sie alle
Aber zurück zur Stimmungslage: Damals Anfang der 70er Jahre war der Krieg gerade mal zweieinhalb Jahrzehnte her. Und diese Brandt-Sprüche, Experten sprechen heute von „Schnodderdeutsch“, waren herrlich unmilitärisch. Nichts Zackiges. Brandt verschaffte den Deutschen Lockerungsübungen. Aber nicht mit dem Zeigefinger. Pointen statt Pädagogik. Heinrich August Winkler hat von „Deutschlands langem Weg nach Westen“ gesprochen. Damals konnte man den Eindruck haben, Deutschland sei tatsächlich dort angekommen, schön weit weg vom teutonischen Tiefsinn.
Doch heute sehen wir: Die Hoffnung war trügerisch. Unterhaltung, Witz, Blödelei um der Blödelei willen, das wollen die Kulturkämpfer rechts wie links uns nicht mehr zugestehen. Bei den einen heißt die letzte Schlacht „Klimawandel“, bei den anderen „Großer Austausch“. Die Sehnsucht nach Armageddon verbindet sie alle. Man möchte ihnen mit Rainer Brandt zurufen: „Nehmen Sie mal’n Schluck Schampus in den Mund, sie stauben so beim Sprechen.“
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.