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Künstliche Intelligenz bedeutet nicht Künstliche Vernunft

„Künstliche Intelligenz“ (KI) ist ein geläufiger Ausdruck. Von „künstlicher Vernunft“ ist selten die Rede. Das hat seine Gründe. Denn Vernunft ist mehr als Intelligenz.
Künstliche Intelligenz und Vernunft
Foto: IMAGO/Christian Ohde (www.imago-images.de) | Roboter sind keine Persönlichkeiten, sondern bleiben trotz aller KI vernunftlose Maschinen.

Spätestens seitdem der Computer „Deep Blue“ 1996 den Schachweltmeister Garri Kasparow bezwang, ist die Entwicklung von Maschinen, die intelligenter als Menschen sind, keine Utopie mehr.

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Wenn wir uns humanoide Roboter mit selbstlernender KI vorstellen, die dem Menschen immer ähnlicher werden und durch ihr Verhalten auch Gefühle vorspiegeln, mag uns ein unheimliches Gefühl beschleichen, das unsere Überzeugung vom unüberbrückbaren Unterschied zwischen Mensch und Maschine erschüttern will. Philosophen wie Richard Rorty wollen den Unterschied zwischen Bewusstsein und dessen Simulation schon seit langem nicht mehr gelten lassen. KI, die sich uns via ChatGTP als kompetenter Kommunikationspartner präsentiert, scheint ihm recht zu geben.

Vernunft lässt sich nicht künstlich erzeugen

Doch der Begriff der Vernunft lenkt unseren Blick auf jene Wirklichkeit, die den unüberbrückbaren Abgrund sichtbar macht, der den Menschen von jeder Maschine trennt. Vernunft lässt sich nicht künstlich erzeugen, weil sie mit Freiheit verbunden ist. Ich kann an die Vernunft eines Menschen appellieren – zum Beispiel, um ihn von einer bösen Tat abzuhalten: „Sei doch vernünftig und lass diesen armen Kerl in Ruhe!“ Ein Mensch entwickelt eigene Interessen und kann gleichzeitig moralische Bedenken haben, sie auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Dies zu erwägen und dann zu entscheiden, ist Sache seiner Vernunft.

„Vernunft“ ist ein normativer Begriff: Der Mensch kann nicht nur vernünftig handeln, sondern soll es auch. „Vernünftig handeln“ heißt immer auch: unter Berücksichtigung des moralischen Aspekts. Er soll es tun aus eigener Einsicht, in freier Selbstbestimmung. Genau das ist bei Künstlicher Intelligenz nicht der Fall. Es hat keinen Sinn, an ihre Vernunft zu appellieren. Sie kann nie anders reagieren als so, wie sie programmiert ist. Auch wenn bei selbstlernender Intelligenz der Algorithmus durch den Dateninput sich so weiterentwickelt, dass er vom menschlichen Programmierer nicht mehr durchschaut wird und folglich das Verhalten der Maschine nicht mehr vorhersehbar ist, so wissen wir doch, dass dieses Verhalten determiniert ist.

Nichts Anderes als der maschinelle Output der Logik

Dessen „Intelligenz“ ist nichts Anderes als der maschinelle Output der Logik, die der menschliche Programmierer in die Algorithmen investiert hat. Die Maschine selbst aber versteht nicht, was sie tut. Sie hat keine eigenen Überzeugungen, kann sich zu ihrem eigenen Tun nicht verhalten, sie kann sich nicht aus moralischen Gründen dazu entscheiden, den Programmierbefehlen den Gehorsam zu verweigern. Es werden sich nicht im Laufe der Zeit moralisch unterschiedliche Roboter herauskristallisieren, aufrichtige auf der einen Seite, niederträchtige auf der anderen, oder gläubige und atheistische, vernünftige und unvernünftige.

Roboter sind keine Persönlichkeiten, sondern bleiben trotz aller KI vernunftlose Maschinen. Vernunft wird sich niemals künstlich erzeugen lassen - ebenso wenig wie Moralität, Gewissen und Freiheit.

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Engelbert Recktenwald Künstliche Intelligenz Richard Rorty

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