Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Nachruf auf Caterina Valente

Ein Weltstar, den nicht nur die Deutschen liebten

Bis zum Schluss hat Caterina Valente an der Unsterblichkeit ihrer Kunst gearbeitet. Nun ist sie im Alter von 93 Jahren verstorben.
Caterina Valente verstorben
Foto: imago stock&people via www.imago (www.imago-images.de) | Eine Universalkünstlerin, die musikalisch-tänzerisch alles konnte und als diese einzigartige Begabung vielleicht unsterblich bleiben wird: Caterina Valente.

Caterina Valente ist tot. Die Vorstellung, dass ein solch ikonisches Leben jemals endet, will so gar nicht passen. Dabei war der Katholikin mit zwei Söhnen aus zwei Ehen das Leben, der Tod und die Auferstehung als Einheit vertraut. Im Alter von 93 Jahren jetzt in Lugano im Kreis der Familie friedlich eingeschlafen, hat Caterina Valente bis zum Schluss an der Unsterblichkeit ihrer Kunst gearbeitet. Mit Erfolg, möchte man meinen.

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Kein deutschsprachiger Oldie-Sender und kaum eine nostalgische Party-Playlist verzichtet bis heute auf die legendären Schlager von Strandbikinis und Italienurlaub. Das deutsche Showbiz des zu Ende gegangenen Fernsehzeitalters fand in ihr den Weltstar, der den ARD-Provinzmief im konkurrierenden Mainzer ZDF neutralisierte, und das mit nur acht Shows zwischen 1966 und 1968. Die Französin mit deutschem Pass, italienischem Temperament und amerikanischer Extrovertiertheit war für ihre Zeit ein Geschenk- mit seltenem, internationalen Flair.

Schlagfertig-gebildete Gesprächspartnerin

Später kam die ARD bei ihr doch noch zum Zuge, und zwar spektakulär. Mit fast 17 Millionen Zuschauern 1986 wurde die Einmal-Show „Bravo, Catrin!“ mit vielen Freunden zu ihrem 50-jährigen Bühnenjubiläum ein TV-Coup. In den US-Talkshows war sie zu ihrer großen Zeit eine schlagfertig-gebildete Gesprächspartnerin mit vielen Talenten und  improvisationsfesten Stand-Up-Qualitäten. Sie war zwölfmal in der „Dean Martin Show“ und der „Perry Como Show“, dreimal in der „Danny Kaye Show“ und zweimal zu Gast in der „Bing Crosby Show“. Die Fernsehserie „The Entertainers“, 22 Folgen mit Carol Burnett und Bob Newhart, wird heute noch in den USA wehmutsvoll in Wiederholungen gefeiert.

Der große, melodische Jazz der Fünfziger mit einigen seiner wichtigen Leitfiguren wie Ella Fitzgerald, „Satchmo“ Louis Armstrong oder dem Trompeter Chet Baker wollte auf Valente als eine die Kulturen überspannende Brückenfigur nicht verzichten. „Ich habe mich hingesetzt mit dem Chet. Ich hatte noch meine Gibson, die elektrische, und wir haben uns zwei Titel ausgesucht und improvisiert. Innerhalb 45 Minuten war die Platte fertig.“

1990 zeigte sie als Jazzsängerin bei Konzerten mit der WDR-Bigband in der Kölner Philharmonie, dass ihr Schlager-Ruhm bei weitem nicht ihre wahren Talente spiegelte. Der Mitschnitt unter dem Titel „Kurt Weill – American Songs“ wurde einige Jahre später auf CD veröffentlicht. 

Musikalische Exzellenz und launiger Mutterwitz

Bei aller musikalischen Exzellenz: Ihr launiger Mutterwitz gehörte immer dazu. Der stammte von Mutter Maria. In Russland aufgewachsen war sie zu ihrer Zeit der berühmteste Musik-Clown Italiens. Auch das Sprachtalent war ihr in die Wiege gelegt. Sie parlierte charmant in sechs Sprachen und konnte etwa 1.500 Musiktitel in zwölf Sprachen akzentfrei singen. Dazu spielte sie 33 Instrumente: Vater Giuseppe war ein bekannter Akkordeonvirtuose. Meisterhaft zu tanzen wusste sie selbstredend auch, eine europäische Ginger Rogers. 

Caterina war zunächst im Familienunternehmen als Zirkuskünstlerin aufgetreten. Mit fünf Jahren stand sie in Stuttgart zum ersten Mal auf der Bühne. Bei Kriegsausbruch gastierte die französische Familie in der Schweiz, ein Zurück nach Paris war unmöglich. Ein Engagement in Deutschland sicherte der Familie während des Krieges das Einkommen. Die Deutschen der Wirtschaftswunderzeit wussten genau um diese prägende Episode - und haben das ihrer Caterina nie vergessen, vor allem nicht den Pflichtdienst bei der Truppenbetreuung. Als 13-Jährige erlebte sie in Breslau, wo sie Verwundete pflegte, wie die sowjetische Armee die Stadt bombardierte. „Es war das Grausamste, was ich je gesehen habe. Wir versuchten, die Menschen aus den Trümmern zu holen. Aber wir hatten nur Stücke in der Hand, einen Arm, ein Bein, einen kopflosen Rumpf, es war die Hölle.“ Caterina Valente war lebenslang dankbar für das Wunder, dieser Hölle entkommen zu sein, auch wenn der Weg aus dem Inferno durch russische Straflager führte.

Hinter der erfolgreichen Frau Caterina Valente steht bei allem Talent und Glück der Tüchtigen irgendwann auch der richtige Mann - ein Mannheimer Artist, den sie 1952 gegen den Widerstand der Mutter heiratete. Beide bauten die eigentliche Solokarriere auf. Der Jongleur und Schlagzeuger Erich Scholz war unter dem Künstlernamen Eric van Aro bei der Mannheimer Agentur von Lorenz K. W. Reich unter Vertrag. Reich war Inhaber einer Künstler- und Konzertagentur, politisch bestens vernetzt als Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Mannheim. Das erste Engagement der Valente als professionelle Sängerin hatte dort ihre Wurzeln. So war es für das junge Ehepaar selbstverständlich, von 1953 bis 1957 eine Wohnung in der Mannheimer Rathenaustraße zu beziehen, nicht weit vom Neuen Nationaltheater. Ihr gemeinsamer Sohn Eric van Aro jr. wurde 1958 dort in Mannheim geboren. 

Sprung über den großen Teich

Bereits 1953 gab es erste Aufnahmen mit Kurt Edelhagen und seinem Orchester und ein Gastspiel im Pariser Salon du Jazz. Der Auftritt beim 2. Deutschen Jazzfestival in Frankfurt am Main 1955 wurde als Sensation aufgenommen, dann die erste Schallplatte „Istanbul“ auf dem Label Brunswick. Die Aufnahmen mit dem Orchester Werner Müller wie „Malagueña“ und „The Breeze and I“ des kubanischen Komponisten Ernesto Lecuona bedeuteten den Sprung über den großen Teich. Vierzehn Wochen in den US-amerikanischen Charts – auf Deutsch gesungen - stellen bis heute einen einmaligen Erfolg dar.

Die Karriere Valentes ermöglichte den Umzug in eine Stadtvilla in Oberflockenbach, wo die Familie bis 1959 lebte. Allzu weit hatte es Caterina Valente also nicht, als sie mit ihrem Bruder Silvio Francesco zu den Eröffnungsfeierlichkeiten für das Nationaltheater 1957 als Stargast eingeladen wurde. Welt und Wohnort – die Valente lebte immer aus der Verbindung von Nähe und Ferne. Der Dünkel eines nur noch auf internationales Format fixierten Stars war ihr fremd. Ihr Publikum spürte das, und die Show-Kollegen von Kulenkampff über Vico Torriani bis Hans Rosenthal wussten diese Nahbarkeit zu schätzen. Und es war der kongeniale Peter Alexander, der den Rang von Caterina Valente immer auf eine besondere Weise würdigte und ihre Nähe bei gemeinsamen Projekten auf der Bühne suchte.

Wer heute der Jahrhundert-Künstlerin Caterina Valente in den bekannten Streaming-Angeboten nachspüren möchte, wird leider nur bedingt fündig. Jazz-Freunden sei das Album „Caterina Valente in New York“ empfohlen, das man bei Spotify findet. Bei Apple Music gibt es Videos von der Ed Sullivan Show und eine schöne EP mit leichten, französischen Chansons „Le Cœur de Paris“. Vor allem aber empfiehlt sich eine Youtube-Session, wo Caterina Valente mit verjazztem Bach oder ihren geliebten südamerikanischen Rhythmen zu erleben ist. Eine Universalkünstlerin, die musikalisch-tänzerisch alles konnte und als diese einzigartige Begabung vielleicht unsterblich bleiben wird. 

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