Johann Baptist Strauss wurde 1825 in Wien geboren, in eine katholische Familie und in eine Musiker-Dynastie, die dem 19. Jahrhundert einen besonderen Klang gab. Der Vater Johann Strauss I., selbst eine Berühmtheit als erster Wiener Walzerkönig, wollte den Sohn vom Musikerberuf abhalten – eine biografische Reibung, aus der Zielstrebigkeit und Eigenstil erwuchsen. Aus dem Kapellmeister des Balllebens wurde ein internationaler Komponist, dessen Name bald zum Synonym für Wiener Musik wurde. Die menschliche Seite blieb sichtbar: Strauss stand mitten im gesellschaftlichen Leben seiner Stadt, war Gastgeber und Netzwerker, aber auch ein disziplinierter Arbeiter, der hunderte Stücke schuf und sein Orchester als Violinist vom Pult aus führte.
Feinsinnige Bewunderung von Zeitgenossen
Der Walzer „An der schönen blauen Donau“, auch als „Donauwalzer“ bekannt, ist wohl das bekannteste Stück Strauss‘ und vielleicht auch eines der berühmtesten Stücke der klassischen Musik überhaupt. Zwar hat das ursprünglich als Chorlied konzipierte „An der schönen blauen Donau“, das auch die inoffizielle Landeshymne des Bundeslandes Wien ist, bisweilen etwas wie Evergreen-Charakter für Feierlichkeiten zum Jahreswechsel und laue musikalische Konzertabende vor historischer Kulisse, aber es ist natürlich weit mehr als das: Solche Popularität verdankt sich keiner flüchtigen, kitschigen Mode, sondern einer Kunst, die Rhythmus, Melodie und Architektur zu gesellschaftlicher Form verdichtet: Walzerketten, die kreisen und zurückkehren, aber nie langweilen; Melodien, die Ohr und Herz finden, ohne zu banalisieren. Johannes Brahms habe auf den Wunsch nach einem Autogramm die ersten Takte des Donauwalzers notiert und daruntergeschrieben: „Leider nicht von Johannes Brahms.“
Strauss‘ Rang erschöpft sich nicht im Walzer. Mit „Die Fledermaus“ (1874), „Eine Nacht in Venedig“ (1883) und „Der Zigeunerbaron“ (1885) schuf er Operetten, die witzige Maskenspiele, soziale Rollentauschspiele und Melodienreichtum in eine bühnenwirksame Einheit bringen. Die Musikwissenschaft hat diesen Kosmos neu gelesen. Camille Crittenden beispielsweise zeigt, dass Strauss wie kein anderer die „Stolz-und-Sorge“-Gefühlslage des späten Habsburgerreichs hörbar machte: Operette als städtische Selbstbeobachtung, als Bühne, auf der bürgerliche Wünsche, höfische Etikette und modern werdender Alltag miteinander tanzen. Derek B. Scott wiederum ordnet die Gattung in die Frühphase kultureller Moderne ein: Operette sei eine Kunstform, die zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ Musik vermittelte. In dieser Lesart ist Strauss nicht nur Walzerpoet, sondern auch Architekt einer populären Musikkultur, die dem 20. Jahrhundert den Weg bis an den Broadway bereitete.
Walzer und Operetten mit nachhaltiger Wirkung
Die Wirkung Strauss‘ reicht dabei weit über die Ringstraße hinaus. Wenn Stanley Kubrick in seinem Filmklassiker „2001: A Space Odyssey“ den Donauwalzer in Schwerelosigkeit versetzt, wird der Dreivierteltakt zum Bild für Ordnung und Staunen im Raumzeitalter. 2025 hat Europa diese Metapher wörtlich genommen: Zum 50-jährigen Bestehen der Europäischen Weltraumorganisation ESA wurde der „Donauwalzer“ – in einer Aufnahme der Wiener Symphoniker – als Radiosignal ins All gesendet, mit öffentlichen Live-Übertragungen in Wien, Madrid und New York. Dass eine 150 Jahre alte Walzerpartitur heute noch als Zeichen kultureller Verbindung fungiert, sagt wohl viel über ihre tragende Kraft aus.
Selbst der oft strenge Musikästhetiker und höchst einflussreiche Musikkritiker Eduard Hanslick erkannte in Strauss’ melodischem Einfall und rhythmischer Finesse eine außergewöhnliche Begabung, deren Charme nicht bloß „Ballmusik“, sondern kompositorische Sorgfalt ist.
Dritte Heirat: Der Katholik wird zum Protestanten
Zu Strauss‘ Lebenswirklichkeit gehört auch eine biographische Konstellation, die viel über die rechtlich-kulturelle Landschaft des 19. Jahrhunderts verrät. Nach der Ehe mit der Sängerin Jetty Treffz (Trauung 1862, Tod am 8. April 1878) heiratete er nur wenige Wochen später die junge Schauspielerin Angelika „Lili“ Dittrich. Die Verbindung zerbrach; bereits 1882 trennten sich die Wege. Als Strauss sich in Adele Deutsch verliebte, verweigerte die katholische Kirche die erhoffte Annullierung der zweiten Ehe. Der Komponist wich daraufhin auf einen damals nicht selten beschrittenen Pfad aus: Er wechselte 1887 die Staatsbürgerschaft nach Sachsen-Coburg-Gotha, konvertierte zum Protestantismus und konnte Adele am 15. August 1887 in der Coburger Hofkirche heiraten. Für den „Walzerkönig“ wurde diese Ehe zur inneren Heimat seiner späten Jahre.
Wer Johann Strauss in seinem Jubiläumsjahr noch erleben will, solltendern schnell noch nach Wien reisen: Zum 200. Geburtstag macht die Kaiserstadt sich komplett zur Bühne mit einem Themenjahr von Neujahr bis Silvester, unter anderem mit einer Premiere wöchentlich und Veranstaltungen an überraschenden Plätzen in allen 23 Bezirken. Opernintendant Roland Geyer sagt dazu: „2025 feiern wir mit Johann Strauss‘ Musik Hoffnung und Zusammenhalt. Sein Werk wird Wien kulturell erstrahlen lassen.“
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