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Schlechte Noten für Deutschlands Schulen

Die Erhebung zur Grundschul-Lesefähigkeit zeigt: Ein Viertel der deutschen Viertklässler kann nicht ausreichend lesen.
Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen
Foto: Sebastian Gollnow (dpa) | Kinder lesen in einer Grundschule. Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann einer Studie zufolge nicht richtig lesen.

Ein Viertel der deutschen Viertklässler kann nicht ausreichend lesen. Zudem hängt der Bildungserfolg weiterhin stark vom familiären Hintergrund der Kinder ab. Das sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2021), die am Dienstag vorgestellt wurde.

Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger bezeichnete die Ergebnisse der IGLU-Studie als „alarmierend“. „Die IGLU-Studie zeigt, dass wir dringend eine bildungspolitische Trendwende benötigen, damit es mit den Leistungen unserer Kinder und Jugendlichen wieder bergauf geht. Gut lesen zu können, ist eine der wichtigsten Grundkompetenzen und das Fundament für Bildungserfolg.“

Deutlich schlechtere Werte als 2001

Seit 20 Jahren untersucht die IGLU-Studie alle fünf Jahre, wie sich die Lesekompetenz in Deutschland im internationalen Vergleich entwickelt. Die Leistungen der Schüler werden in fünf Kompetenzstufen eingeteilt. Waren es bei der Ausgangserhebung im Jahr 2001 noch 17 Prozent, die nicht mehr die nötige Lesekompetenz für die weiterführenden Schulen besitzen, sind dies nun 25,4 Prozent und damit jedes vierte Kind. 

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Auch bei der mittleren Kompetenzstufe erreichen deutsche Kinder in der aktuellen Untersuchung im Vergleich zum Jahr 2001 deutlich schlechtere Werte. Das Ergebnis sank von 539 Punkten auf 524 Punkte. Deutschland liegt damit unter dem Mittelwert der EU von 527 Punkten. Spitzenreiter Singapur erzielt 587 Punkte, andere europäische Länder liegen bei 558 Punkten (England) und 549 Punkten (Polen). Zugleich sank der Anteil der im Lesen leistungsstarken Schülerinnen und Schüler von 47 Prozent im Jahr 2016 auf 39 Prozent.  

Mädchen haben in nahezu allen Teilnehmerstaaten eine signifikant höhere durchschnittliche Lesekompetenz als Jungen. Laut der Studie liegt der Kompetenzvorsprung der Mädchen bei 15 Punkten. 

Herkunft beeinflusst schulischen Erfolg

Wie andere Bildungsstudien belegt auch IGLU 2021 den hohen Einfluss der Herkunft auf den schulischen Erfolg. So hat ein Kind aus einer (Fach)Arbeiterfamilie bei gleicher Lesekompetenz und gleichen kognitiven Grundfähigkeiten eine 2,5 Mal geringere Chance auf eine Gymnasial-Empfehlung seiner Lehrkraft als ein Kind eines führenden Angestellten. Kinder mit Migrationshintergrund erzielen ebenfalls schlechtere Leistungen.

Insgesamt sei die negative Entwicklung nicht nur auf eine Veränderung der Zusammensetzung der Schülerschaft zurückzuführen. Es gebe auch Zusammenhänge mit der Corona-Pandemie. Der Trend absinkender Schülerleistungen bestehe aber bereits seit 2006, so Nele McElvany, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund und Wissenschaftliche Leitung von IGLU 2021.

Um die Lesekompetenz zu verbessern, empfiehlt die Studie eine systematische Förderung in den ersten Grundschuljahren. Neben qualitativ hochwertigem Leseunterricht im regulären Klassenkontext für alle Schülerinnen und Schüler sollten homogene Kleingruppen für Schülerinnen und Schüler mit Leseschwierigkeiten gebildet werden. Als ressourcenintensivste Aufgabe benennen die Forscher die individuelle Förderung unter anderem durch lerntherapeutische oder sonderpädagogische Unterstützung. Mit Blick auf die demografische Entwicklung einer zunehmenden sprachlichen Diversität in Familien müsse eine systematische, wirksame Sprachförderung ein zentrales Ziel der Bemühungen im deutschen Bildungssystem der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein. 

In Deutschland waren rund 4.600 Viertklässler an bundesweit 252 Grundschulen an der Erhebung beteiligt. Weltweit nahmen rund 400.000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil. Die Durchführung der Studie in Deutschland wird zu gleichen Teilen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) finanziert.  DT/chu

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