In Aachen wird vor zahlreichen Augenzeugen feierlich ein Vorhängeschloss aufgebrochen. Osnabrück gibt dem Frieden ein Gesicht. Memleben fahndet nach dem Herz Kaiser Ottos des Großen. „Zwischen Schmerz und Seligkeit“ kann man in Berlin schwelgen, während die „Verdammte Lust“ zum Besuch des Freisinger Dombergs verlockt. Die deutschen Museen verheißen uns 2023 spannende Ausstellungen.
Aachener Domschatzkammer zur Heiligtumsfahrt
Seit 1349 lädt Aachen alle sieben Jahre zur Heiligtumsfahrt ein. Die neueste war bereits für 2021 angesagt, ist jedoch wegen der Coronapandemie auf dieses Jahr verschoben worden. Während des liturgischen Festaktes am 9. Juli im Aachener Dom brechen zwei Goldschmiede das Vorhängeschloss des goldenen Marienschreins auf. Anschließend wird sein Inhalt präsentiert. Alter Überlieferung zufolge handelt es sich um das Kleid, das Maria bei der Geburt Jesu trug, um dessen Windeln und den Lendenschurz der Kreuzigung sowie das Enthauptungstuch von Johannes dem Täufer. Außerhalb der liturgischen Weisungen sind diese Reliquien in vier Vitrinen zu sehen, die in der Chorhalle des Mariendomes stehen. Am 19. Juli werden die vier Heiligtümer wieder in den Marienschrein gelegt, der ein neues Schloss erhalt. Es wird mit Blei ausgegossen und der Schlüssel zersägt.
Die Domschatzkammer offeriert den Pilgern und Schaulustigen eine mit Kunstwerken ausgestattete neue Ausstellung zur Geschichte der Heiligtumsfahrt. Für zehn Tage sind überdies die erlesenen Seidenstoffe und Taschen zu sehen, in die sonst Kleid, Windel, Lendentuch und Enthauptungstuch gehüllt sind. Die seit 1909 kunstvoll gestalteten Vorhängeschlösser werden präsentiert und ebenso 24 exquisit gemalte Heiligendarstellungen des 15. Jahrhunderts. Sie stammen vom Holzgehäuse, das bis 1794 den Marienschrein schützte.
Zwischen Schmerz und Seligkeit in Berlin
Auch die Gemäldegalerie im Kulturforum Berlin kündigt erlesene Malerei aus dem 15. Jahrhundert an. Zu sehen ist sie ab 31. März in der Hugo van der Goes gewidmeten Ausstellung „Zwischen Schmerz und Seligkeit“. Beides vereint dessen Gemälde „Marientod“ (um 1480). Die erste Ausstellung überhaupt, die dem um 1435 in Gent geborenen und als Laienbruder in einem bei Brügge gelegenen Kloster 1482 gestorbenen Hugo van der Goes gewidmet wird, präsentiert rund 60 Werke. Zu ihnen gehören zwölf seiner vierzehn erhaltenen Gemälde. Sie bestechen durch intensive Farbigkeit und hohe Stofflichkeitsillusion, große Lebensnähe, emotionale Ausdrucksstärke und sprechende Gesten. Man achte also auf die Hände.
Die vom so genannten „Monforte-Altar“ (um 1470/75) erhalten gebliebene Mitteltafel zeigt die Anbetung des Kindes durch die heiligen drei Könige. Der links kniende Josef weist mit der Rechten auf die vom ältesten König dargebrachten Geschenke. Dessen vor dem Jesuskind gefalteten Hände befinden sich im Zentrum der Komposition. Das Kind wiederum hat mit Unterstützung der Mutter das linke Händchen zum Segensgruß erhoben, während es in unsere Richtung blickt.
Das Gesicht des Friedens nach dem 30-jährigen Krieg
Am 7. Mai 973 starb Kaiser Otto der Große mit 61 Jahren in Memleben. Das Museum Kloster und Kaiserpfalz Memleben gedenkt seiner ab 11. März mit der Sonderschau „Des Kaisers Herz“. Während der Körper Ottos im Magdeburger Dom bestattet liegt, wurde sein Herz in Memleben beigesetzt. Die Archäologen haben es zwar bei der in den letzten Jahren durchgeführten Tiefenfahndung in den beiden Kirchenruinen des Kloster- und Kaiserpfalzgeländes nicht entdeckt, dafür aber zahlreiche andere Funde gemacht. Sie werden nun ausgestellt, bereichert um die dank modernster Technik vor den Augen der Besucher wiedererstehenden beiden Kirchen. Der Merseburger Dom beteiligt sich an der Kaiserehrung ab 18. Mai mit der Ausstellung „Otto der Große, der Heilige Laurentius und die Gründung des Bistums Merseburg“. Zu sehen sind Urkunden und Handschriften
Otto gründete auch das Bistum Magdeburg. Im Kulturhistorischen Museum Magdeburg läuft ab 28. April die Schau „Kaiser Otto in der Erinnerungskultur späterer Zeiten“. Gezeigt werden Kunstwerke vom Mittelalter bis in unsere Zeit. Sie beziehen sich auf wichtige historische Ereignisse wie die siegreiche Lechfeldschlacht gegen die Ungarn oder würdigen Otto als Stifter und Gründer von Kirchen, Klöstern und Bistümern. Auch die Frauen aus seinem Umfeld stehen im Blickpunkt: Ottos Gattinnen Editha und Adelheid sowie die Stiftsdame Roswitha von Gandersheim, die neben geistlichen Texten die „Taten Ottos“ verfasste.
Friedenskongress und kirchliche Sexualmoral
Vor 375 Jahren beendete der in Osnabrück und Münster geschlossene Westfälische Frieden den Dreißigjährigen Krieg. Ab Ende Mai findet aus diesem Anlass im Osnabrücker Diözesanmuseum die Ausstellung „Dem Frieden ein Gesicht geben“ statt. Im Blickpunkt stehen das Leben und Wirken der Gesandten des seit 1643 tagenden Friedenskongresses, das Kongressgeschehen sowie dessen Auswirkungen auf die Stadtbewohner. Als Außenstationen fungieren die von den Gesandten besuchten Kirchen sowie das historische Rathaus. Von dessen Treppe wurde der Westfälische Frieden am 25. Oktober 1648 öffentlich verkündet. Das historische Osnabrück wird so zum begeh- und erlebbaren Exponat.
Das auf dem Freisinger Domberg beheimatete Diözesanmuseum lockt mit der am 5. März startenden Sonderschau „Verdammte Lust. Kirche, Körper Kunst“ zum Aufstieg. Im Blickpunkt steht die kirchliche Sexualmoral und der Umgang mit ihr in der Kunst. Die Bibel bietet so manche erotische Geschichte. Von Inzest handelt die Lots und seiner Töchter. Von Ehebruch die König Davids mit Batseba. Von Voyeurismus und versuchter sexueller Nötigung die der badenden Susanna, die sich den beiden Ältesten verweigerte. Zu den prominenten Teilnehmern der Schau gehören Lucas Cranach der Ältere, Jacopo Tintoretto und Jusepe de Ribera. Die 178 ausgewählten Kunstwerke, viele aus Renaissance und Barock, erzählen von Lust und Keuschheit, Trieb und Moral. Ihr kunsthistorischer und frömmigkeitsgeschichtlicher Kontext soll den Besucherinnen und Besuchern vermittelt werden.
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