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Woelki: Reformen locken nicht mehr Menschen an

Der Kölner Kardinal warnt vor „Herumbasteln“ an den äußeren Erscheinungsformen der Kirche Entscheidend sei der Glaube, nicht wer ihn verkündigt. Zudem erklärt Woelki, warum Weihnachten für ihn „der Exportschlager des Christentums“ ist.
Kardinal Rainer Woelki zum Weihnachtsfest
Foto: Arne Dedert (dpa) | Der Glaube könne sich nicht nach Mehrheiten richten, so Kardinal Woelki. „Ich kann nicht darüber abstimmen, ob Jesus zu Weihnachten Mensch geworden ist oder nicht.“

Im Hinblick auf den derzeit innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland angestoßenen Reformprozess warnt der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki vor tiefgreifenden Veränderungen. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Herumbasteln an den äußeren Erscheinungsformen von Kirche nicht mehr Menschen anlockt“, erklärt Woelki im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung. Entscheidend sei der Glaube, „nicht wer ihn verkündigt, ob er Mann oder Frau ist, alte oder neue Lieder singt oder der Priester verheiratet ist“.

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Maß aller Dinge ist Jesus Christus

Das Maß aller Dinge sei Jesus Christus, meint Kardinal Woelki weiter, „nicht unsere Wünsche, unser Alltag oder unser Zeitgeist“. Jeder Christ müsse sich jeden Tag hinterfragen und auf Gott und Jesus hin orientieren. Der Glaube könne sich nicht nach Mehrheiten richten, so Woelki. „Ich kann nicht darüber abstimmen, ob Jesus zu Weihnachten Mensch geworden ist oder nicht.“

Gefragt nach dem Engagement von Laienorganisationen weist der Kölner Kardinal darauf hin, dass man sich grundsätzlich anhören müsse, was Christen zu sagen hätten. Doch auch die Sicht von Laien müsse vor dem Evangelium sowie den Lehren und den Beschlüssen der Kirche Bestand haben. Über die Ehelosigkeit von Priestern könne man zwar diskutieren, aber man müsse auch realistisch sein. „Das wird nicht im deutschsprachigen Zweig der katholischen Kirche entschieden, sondern in der Weltkirche insgesamt.“ Der Glaube habe nicht 2000 Jahre lang gelogen, sodass man ihn heute einfach „mit einem Fingerschnipp“ neu entwerfen könnte.

Gott überlässt den Menschen nicht sich selbst

Das Faszinierendste für ihn sei, dass Weihnachten „DER Exportschlager des Christentums“ sei und weltweit Menschen unterschiedlichster Kulturen und Religion verbinde, erklärt Woelki weiter. „Es steht für die eine Frage, die nie alt oder langweilig wird, nach unserem Ursprung. Woher komme ich, was wird aus mir. Welche Zukunft habe ich.“ Daher berühre Weihnachten überall auf der Welt das Herz der Menschen. Das Fest sei ein historisches Ereignis, so Woelki, bei dem Gott in die Welt hinein spreche und zeige: „Ich überlasse den Menschen nicht sich selbst.“

Darüber hinaus betont der Kölner Erzbischof, dass er als Christ glaube, dass Gott den Willen und die Möglichkeit habe, in die Geschichte einzugreifen. „Er durchbricht die Kette der natürlichen Zeugungen und erschafft jenes Kind von Bethlehem, jenen Menschen, durch den er selbst spricht und sich offenbart. Wenn ich an Gott glaube, fällt es mir nicht schwer, ihm dies zuzutrauen.“ Im Weihnachtsgeschehen zeige sich Gott durch das Kind von Bethlehem in einer Weise, die nicht durch andere Ereignisse wieder- oder überholt werden könne.

"Wir Christen müssen verstehen,
dass es bei uns nicht mehr
selbstverständlich ist, Christ zu sein"
Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln

Gleichzeitig räumt Kardinal Woelki ein, dass es ihn als Mensch und Christ schmerze, wenn andere die Weihnachtsbotschaft nicht entdecken und für sich annehmen könnten. „Wir Christen müssen verstehen, dass es bei uns nicht mehr selbstverständlich ist, Christ zu sein.“ Das Traditionschristentum, in das man hineingeboren wurde und sein Leben lang für sich akzeptiert und mitgenommen habe, trage nicht mehr. „Vielleicht war es auch in Wahrheit nie so selbstverständlich, wie wir in den zurückliegenden Jahrzehnten  geglaubt haben.“ Das Christentum sei kein Selbstläufer, sondern müsse den Menschen erklärt und begründet werden, so Woelki. „Diese Aufgabe müssen wir annehmen.“  

DT/mlu

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