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Fünf Jahre Haft für Kardinal Angelo Becciu

Hartes Urteil des Vatikangerichts wegen Veruntreuung – der Verteidiger kündigt Berufung an.
Kardinal Angelo Becciu - Fünf Jahre Haft
Foto: picture alliance/dpa/AP | Gregorio Borgia | Kardinal Angelo Becciu während einer Pressekonferenz in Rom 2020. Nun ist das Urteil im Finanzprozess gefallen.

Das Vatikangericht unter Vorsitz des Richters Giuseppe Pignatone hat Kurienkardinal Angelo Becciu nach einem zweieinhalbjährigen Prozess zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der Richterspruch erfolgte am Samstagnachmittag. Dem ehemaligen Substituten im vatikanischen Staatssekretariat hatte die Anklage im Zusammenhang mit einer verunglückten Investition in eine Londoner Immobilie und anderen Unregelmäßigkeiten Veruntreuung, Amtsmissbrauch und Verleitung von Zeugen zu Falschaussagen vorgeworfen. Der vatikanische Staatsanwalt Alessandro Diddi, „Promotore di Giustizia“ genannt, hatte für den Angeklagten eine Haftstrafe von sieben Jahren und drei Monaten sowie ein Bußgeld von 10329 Euro gefordert. Becciu muss nun 10.000 Euro zahlen und erhält ein lebenslanges Amtsverbot.

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Zwei weitere Vorwürfe

Papst Franziskus hatte Becciu bereits vor drei Jahren als Präfekt der Kongregation für die Heiligsprechungen entlassen und ihm die Rechte eines Kardinals genommen. Becciu war auch angeklagt wegen einer Überweisung von Vatikangeldern in Höhe von 575000 Euro an eine als Managerin und Beraterin auftretende Cecilia Marogna, die damit eine von Dschihadisten in Mali entführte Ordensfrau freikaufen sollte, aber das Geld für Reisen und Luxusartikel ausgab.

Zudem soll der Kardinal 125000 Euro aus Geldmitteln des Staatssekretariats an eine Kooperative in seiner Heimat Sardinien überwiesen haben, die von seinem Bruder geleitet wird. Nach dem Urteilsspruch kündigte der Verteidiger Beccius, der Anwalt Fabio Viglione, an, dass man den Richterspruch akzeptiere, aber „mit Sicherheit Berufung einlegen“ werde.

Insgesamt zehn Angeklagte

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand aber der Erwerb jener „giftigen“ Immobilie in der Londoner Sloane Avenue 60, womit auch die anderen Angeklagten ins Spiel kommen, neben Kardinal Becciu neun Personen und vier Firmen. Laut Urteil vom Samstag sieht es das Vatikangericht als erwiesen an, dass Becciu in seiner Zeit als Substitut im Staatssekretariat und damit als „Nummer 3“ im Vatikan in den Jahren 2013 und 2014 eine Summe von über 200 Millionen US-Dollar an den Hedgefond „Athena Capital Commodities“ überwiesen hat: ein Drittel des Geldes, das dem Staatssekretariat damals überhaupt zur Verfügung stand. Der Hedgefond wurde von dem in London tätigen Finanzberater Raffaele Mincone verwaltet. Mit den vom Vatikan überwiesenen Gelder sollte die Gesellschaft erworben werden, die Eigentümerin der Londoner Immobilie war. 
Das Vatikangericht hob jetzt hervor, dass der Fonds hoch risikobehaftet war und der Investor, also der Vatikan, keine Möglichkeit der Kontrolle über die dort angelegten Gelder hatte. Mitangeklagt waren jetzt ein Mitarbeiter des Staatssekretariats, Fabrizio Tirabassi, und der Italo-Schweizer Enrico Crasso, der über Jahre ein wichtiger Partner bei Finanzgeschäften des Vatikans war. Mincione, Crasso und Tirabassi wurden jetzt wegen Geldwäsche verurteilt; Mincione zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, Crasso und Tirabassi zu siebeneinhalb Jahren Haft. Crasso wurde auch wegen des Straftatbestands der Bestechung schuldig befunden. 

Der Rückkauf der Immobilie

Die weiteren Vergehen geschahen dann im Zusammenhang mit dem Versuch des Staatssekretariats in den Jahren 2018 und 2019, die Immobilie in London von dem Hedgefond zurückzukaufen. In diesem Zusammenhang wurden die italienische Geschäftsleute Gianluigi Torzi und Nicola Squillace zu sechs beziehungsweise anderthalb Jahren Haft verurteilt. Ein mildes Urteil erhielten Tommaso di Ruzza, in jener Zeit Generaldirektor der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF, und René Brülhart, damals Präsident der AIF. Wegen Unterlassung und der Nichtmeldung einer verdächtigen Transaktion kamen jetzt beide mit einer Geldstrafe von 1.750 Euro davon. 
Abgesehen von dem Berufungsverfahren, das der Anwalt von Kardinal Becciu unmittelbar nach dem erstinstanzlichen Urteil des Vatikangerichts angekündigt hat, dürfte der Prozess noch ein weiteres Nachspiel haben: Die Richter verurteilten die Angeklagten dazu, den Nebenklägern, unter ihnen das Staatssekretariat und die vatikanische Güterverwaltung APSA, einen Schadensersatz in Höhe von 200 Millionen Euro zu zahlen. Zudem ordnete das Gericht die Beschlagnahmung von Vermögenswerten in Höhe von 166 Millionen Euro an. Wie das Gericht des kleinen Kirchenstaats an diese im nicht-vatikanischen „Ausland“ liegenden Gelder und Guthaben herankommen will, ist eine noch völlig offene Frage. DT/gho

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