Spannend: Der große Theologe Benedikt XVI. widerspricht der Legalisierung der Ehe für homosexuelle Paare nicht etwa mit theologischen Argumenten, bemüht weder Exegese noch Moraltheologie. Eine „homosexuelle Ehe“ stehe im Widerspruch zu allen Kulturen der Menschheit, schreibt der emeritierte Papst in einem Text, den „Die Tagespost“ in dieser Woche erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Es handle sich um eine „kulturelle Revolution“. Benedikt XVI. will mit seiner naturrechtlichen Argumentation offenbar nicht allein die Theologenzunft oder nur fromme Katholiken überzeugen, sondern alle Menschen ansprechen.
Franziskus sollte man genau lesen
Widerspruch wird da gewiss nicht ausbleiben. Seit 2013 sieht er sich nicht nur der sprichwörtlich gewordenen „sprungbereiten Feindseligkeit“ ausgesetzt, die ihm im deutschen Sprachraum schon seit Professorentagen entgegenschlägt. Dazu kommt seit der Wahl von Papst Franziskus eine gewisse Leidenschaft mancher Theologen und Publizisten, einen Dissens zwischen Benedikt XVI. und seinem Nachfolger zu finden.
Hat Franziskus nicht zuletzt eine Zivilehe für Homosexuelle begrüßt? Nein, hat er nicht. Genaue Lektüre ist ratsam: Es gebe „Gesetze, die versuchen, den vielen Menschen zu helfen, die eine sexuell andere Orientierung haben“, sagte Papst Franziskus vor wenigen Tagen auf dem Rückflug von Bratislava nach Rom. „Die Staaten haben in zivilrechtlicher Hinsicht die Möglichkeit, sie zu unterstützen, ihnen im Erbrecht und Gesundheitswesen Sicherheit zu geben“, so der Papst, der zugleich betonte: „nicht nur Homosexuellen, sondern allen Personen, die sich zusammentun wollen“.
Es geht Papst Franziskus nicht darum, für homosexuelle Paare eine Zivilehe etabliert zu sehen, sondern um zivilrechtliche Regeln für all jene Menschen, die – aus welchen Gründen und Hintergründen auch immer – füreinander Verantwortung übernehmen. Unabhängig von ihrer Sexualität. Tatsächlich ist ja nicht einzusehen, warum Menschen eine sexuelle Beziehung haben oder behaupten müssen, um beispielsweise Besuchs- und Auskunftsrecht im Krankenhaus oder steuerliche und erbrechtliche Privilegien zu erwirken. All das ließe sich – jenseits der Frage nach ihrer sexuellen Orientierung oder der Art ihrer Beziehung – doch zivilrechtlich regeln. Aber, wie Papst Franziskus betont: „Eine Ehe ist eine Ehe… Erwarten Sie nicht von der Kirche, dass sie ihre Wahrheit verleugnet.“
Lesen Sie den vollständigen Essay von Papst em. Benedikt XVI. in der kommenden Ausgabe der Tagespost.