Dankbarkeit ist selten geworden. Vieles gilt als selbstverständlich: Gesundheit, Sicherheit, Wohlstand. Erst wenn etwas zerbricht, rückt ins Bewusstsein, dass es ein Geschenk war. Genau davon erzählt das Evangelium dieses Sonntags: Zehn Menschen erfahren Heilung, doch nur einer versteht, was es bedeutet. Es geht um das Herzstück des Glaubens – die dankbare Umkehr zum Gott des Lebens:
Zehn Aussätzige begegnen Jesus „im Grenzgebiet zwischen Samarien und Galiläa“. Grenzen markieren Trennung, aber auch Begegnung. Hier treten zehn Aussätzige auf - Menschen, die ohnehin am Rand leben. Ihr Ruf „Jesus, Meister, erbarme dich unser!“ ist kein Warnruf mehr, wie es nach den Reinheitsvorschriften üblich wäre („unrein, unrein!“), sondern ein Bekenntnis des Vertrauens. Sie nennen Jesus „Meister“ – ein Titel, der Autorität anerkennt. Jesu Reaktion ist unscheinbar: „Geht, zeigt euch den Priestern!“ Noch sind sie nicht geheilt, doch er behandelt sie, als ob die Reinheit schon hergestellt wäre.
Heilung ist mehr als körperliche Reintegration
Das ist eine Provokation und zugleich ein Appell: Sie müssen den ersten Schritt im Glauben tun. Auf dem Weg geschieht die Heilung – nicht am Ort des Wunders, sondern unterwegs im Gehorsam gegenüber dem Wort Jesu. Neun gehen weiter, um ihr neues Leben offiziell bestätigt zu bekommen.
Einer aber unterbricht den Weg, kehrt zurück, wirft sich Jesus zu Füßen und dankt Gott mit lauter Stimme. Gerade dieser eine ist ein Samariter – ein Fremder, der für jüdische Ohren kaum als Glaubensvorbild taugt. Doch er ist es, der erkennt, dass Heilung mehr ist als körperliche Reintegration. Dankbarkeit verwandelt seine Erfahrung in Beziehung zu Gott. Darum sagt Jesus zu ihm: „Dein Glaube hat dich gerettet.“ Jesu Frage „Wo sind die neun?“ (Lk 17, 17) wirkt dagegen fast wie ein Echo der Stimme Gottes im Paradies: „Adam, wo bist du?“ Sie macht deutlich, dass Heilung allein nicht genügt. Erst in der dankbaren Umkehr vollendet sich das Geschenk als Rettung.
Auch der syrische Feldherr Naaman in der ersten Lesung (2 Kön 5) erfährt Heilung, als er den Weisungen des Propheten Elischa folgt. Widerwillig steigt er in den Jordan, und gerade im unscheinbaren Untertauchen vollzieht sich seine Läuterung. Die Heilung des Körpers geht mit der Umkehr des Herzens einher: Aus Skepsis wird Erkenntnis, aus dem fremden Feldherrn ein Bekenner des Gottes Israels. Wie der Samariter im Evangelium ist Naaman ein „Fremder“, dessen Dankbarkeit ihn zum Glauben führt.
Für die heutige Gesellschaft, die Erfolge plant und Glück berechnet, ist Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer aufgerichtet als Mahnmal, daran erinnernd, dass nicht alles machbar ist und dass Leben Gabe bleibt. Wer dankt, erkennt: Das Entscheidende lässt sich nicht kaufen, sondern nur empfangen.
2 Könige 5, 14–17
2 Timotheus 2, 8–13
Lukas 17, 11–19
Zu den Lesungen des 28. Sonntags
im Jahreskreis 2025 (Lesejahr C)
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