Der Betroffenenbeirat bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hat das Gutachten der (Erz-)Bistümer Köln, Münster und Essen kritisiert. In einer Mitteilung vom Freitag schreibt der Beirat, der Befund sei „vor dem Hintergrund der angewandten Definition nachvollziehbar“, greife aus Sicht des Betroffenenbeirats jedoch „deutlich zu kurz“. Auch sei der Aussagewert des Gutachtens „äußerst gering“.
Der Betroffenenvertretung kenne Fälle, in denen Betroffene von Täter-Netzwerken und ritualisierter Gewalt berichten würden, auch aus den hier untersuchten Bistümern. Es würden Taten geschildert, „in denen kirchliche Rituale oder religiöse Symbole in die Missbrauchshandlungen einbezogen wurden“. Diese sollen sowohl als Rechtfertigung der eigenen Handlungen wie der Manipulation der Opfer gedient haben, „wenn beispielsweise eine ,Salbung‘ an die Stelle einer sexuellen Handlung gesetzt wurde“, heißt es in der Mitteilung.
Keine Aussage über Existenz von Netzwerken
Des Weiteren moniert der Beirat, dass das vorliegende Gutachten nichts darüber aussage, „ob in den untersuchten Bistümern Netzwerke existierten, in denen Missbrauchsbetroffene von mehreren klerikalen Tätern missbraucht und/oder Opfer bewusst anderen Tätern zugeführt wurden oder ob Täter während ihrer Taten ritualisierte, kirchliche Handlungen vollzogen“. Das impliziere die Gefahr, dass kirchliche Verantwortungsträger die Ergebnisse künftig missbräuchlich dazu nutzen könnten, „die Existenz von Täter-Netzwerken oder ritualisierte Missbrauchspraktiken im kirchlichen Kontext zu verneinen“.
Darüber hinaus sieht der Beirat „die Anwendung aussagepsychologischer Untersuchungen im Rahmen des Gutachtens“ als problematisch, weil das Verfahren aus der forensischen Psychologie stamme und der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen diene. Es sei nur für psychisch gesunde Personen konzipiert. Betroffene sexualisierter Gewalt litten aber häufig an „posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen oder anderen psychischen Erkrankungen“. Derartige aussagepsychologische Verfahren würden solche Traumafolgen nicht ausreichend berücksichtigen, sondern „oft als Hinweis auf eingeschränkte Glaubwürdigkeit“ interpretieren. DT/dsc
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