„Für einen Farbanschlag sind wir hier zu hoch gelegen.“ In der Tat, die Häuser von Studentenverbindungen werden des Öfteren mit Farbbeuteln attackiert, beim Haus der KDStV Markomannia Würzburg ergeben sich da jedoch einige praktische Schwierigkeiten. Wer die Löwenbrücke stadtauswärts überschreitet, dem sticht sogleich der Nikolausberg ins Auge, an dessen Hang sich eine Vielzahl von Villen anschmiegt, darunter das Verbindungshaus. Ein größerer Vorgarten tut das Übrige: Solange die Tür verschlossen ist, kann ein Farbanschlag ausgeschlossen werden.
Uns wird die Tür allerdings geöffnet. „Auf dem Haus“ werden wir vom amtierenden Senior (Vorsitzenden) Vincent und dreien seiner Bundesbrüder – die Mitgliedschaft in einer Verbindung gilt als Lebensbund – empfangen, die uns ins Wohnzimmer geleiten. Der große Kneipensaal wird unterdessen für den vierzigsten Geburtstag eines Bundesbruders hergerichtet. Bequeme Sessel, holzgetäfelte Wände, mit Bildern geziert. An der Wand aufgereiht die für Mainfranken typischen Bocksbeutel, Sonderanfertigungen mit dem Wappen der Verbindung. Hier machen wir es uns erst einmal bei einer Tasse Kaffee bequem, um die vier Markomannen in ein Gespräch zu verwickeln.
Was die Markomannia katholisch macht
Vincent studiert Wirtschaftsinformatik im fünften Semester und ist verantwortlich fürs Semesterprogramm der Verbindung. Jakob ist seit 2017 aktiv und hat sein erstes Staatsexamen in Jura hinter sich. Der 21-jährige Leon, seines Zeichens Medizinstudent, ist derzeit für die Getränke zuständig. Michael ist Oberarzt und Philister-Senior, also der Vorsitzende des Altherren-Vereins.
Was diese vier und alle anderen Bundesbrüder vereint: Sie sind Männer. Und katholisch. „Das ist eine Grundvoraussetzung“, sagt Vincent. Wer Mitglied werden wolle, müssen einen Taufschein vorlegen. Michael erzählt, seinerzeit habe man auch ganz praktisch die „Gottesdienstkompetenz“ beobachtet. Glaube sei Begegnung und Mission, sagt Vincent – „aber nicht mit dem Vorschlaghammer“. Vielmehr sei der katholische Glaube die Grundlage, welche das Leben in der Hausgemeinschaft präge. So sei etwa das Tischgebet selbstverständlich. Auf „Mission“ unter Mitstudenten träfe man die Burschen (Vollmitglieder) nicht, wohl aber bei regelmäßigen Vorträgen auf dem Haus oder Verbindungsmessen. Unter den Bundesbrüdern befinden sich auch einige Priester. Einer habe mal vorgeschlagen, im Kneipensaal einen Beichtstuhl aufzustellen, sei aber auf das „Stübchen“, einen Nebenraum vertröstet worden.
Furchtlos und treu
Natürlich seien Gespräche über Theologie oder Kirchenpolitik keine Seltenheit. Auch ohne Vorschlaghammer hinterlasse die katholische Grundlage ihre Spuren. So erzählt uns Vincent von einem Bundesbruder, der seinen Glauben kaum mehr praktizierte und durch den Umgang mit seinen markomannischen Freunden schließlich nach zehn Jahren wieder beichtete. Auch das heutige Geburtstags„kind“ hatte sich seinerzeit dank der Freundschaft mit den Markomannen taufen lassen. Aus Sicht der „Jungs“ sind die katholischen Verbindungen eine noch unentdeckte Chance für die Kirche, Akademiker am katholischen Leben zu beteiligen, in Würzburg und anderswo.

„Furchtlos und treu“: So lautet der Wahlspruch der Markomannia Würzburg, auf den man bis heute stolz ist. Als praktisches Beispiel erzählen uns die Burschen aus den Dreißigern und Vierzigern: Mitgliedern der NSDAP sei es verboten gewesen, Markomanne zu werden, umgekehrt habe das Hakenkreuz auf dem Haus nicht gezeigt werden dürfen.
Elitär, verschroben, rechtsextrem?
Im Zuge der Gleichschaltung löste sich im Oktober 1935 der Cartellverband der katholischen Verbindungen freiwillig auf, ausgerechnet auf dem Haus der Markomannia Würzburg. Einen Tag später trafen die Markomannen sich erneut und entschieden sich gegen eine Auflösung. Man wollte ohne Verband weiter agieren, getreu dem Bundeseid. Bei Nacht und Nebel wurde das Haus geräumt, Zuflucht fand man in einem Pfarrhaus.
Das Verbindungshaus wurde enteignet. Als man es nach dem Krieg zurückerhielt, war es eine Ruine. Die Explosion eines Munitionslagers in der Nachbarschaft hatte es zum Einsturz gebracht. Nur die Kellerräume waren halbwegs erhalten. Dort, in der Kegelbahn, nächtigte man auf Feldbetten, gegebenenfalls unter einem Regenschirm, wegen der undichten Decke.
So stolz man bei der Markomannia auf den Widerstand gegen die Gleichschaltung ist, so hartnäckig hält sich das Bild vom „abgehobenen, rechtsradikalen Verbindungsstudenten“. Dagegen verwahren sich die Markomannen allerdings entschieden. „Unser Haus steht jedem offen und wir haben unsere Veranstaltungen auf unserer Website veröffentlicht“, sagt Leon. Das Haus lebe durch die Mitglieder, die ihre Kommilitonen mitbringen. Beim gemeinsamen Grillen oder Ausflügen komme man ins Gespräch. Die persönliche Begegnung sei auch der beste Weg, um Vorurteile abzubauen. Dies kann auch Vincent bestätigen: Ein ehemaliger Mitbewohner habe einmal Freunde mitgebracht, welche zunächst vor den „rechtsradikalen Korporierten“ zurückgeschreckt seien, nach dem Besuch aber bis heute freundschaftlichen Kontakt zur Markomannia pflegen.
Das Stübchen, alias der Beichtstuhl
Während Rauchen im Innenraum vielerorts verboten ist, liegt in der hauseigenen Bibliothek der Markomannia eine Pfeife herum, über deren Besitzer unsere Gastgeber eine Zeit lang spekulieren. Am Stärksten ist der Tabakduft im „Stübchen“, wo die Raucher sich am häufigsten versammeln. Wir erinnern uns: Dieser Raum wurde im Scherz auch schon mal zum Beichtstuhl erklärt. Mützen und Bänder in verschiedenen Farben – Mitglieder von Studentenverbindungen tragen sie als Erkennungszeichen – hängen an der Wand, sie wurden von Mitgliedern anderer Verbindungen vergessen. Sogar zwei liegengebliebene Schuhe kleben an der Decke. Michael erzählt, wie man sich einmal zu zwanzig Mann in das Stübchen gequetscht habe.
Studentenverbindungen funktionieren nach dem Prinzip des Lebensbundes. Wer „Bursche“, also Vollmitglied, geworden ist, soll dies eigentlich bis zum Tod bleiben. Der Anspruch: Als Bundesbrüder Verantwortung füreinander übernehmen, den katholischen Glauben durch gelebte Nächstenliebe in die Tat umsetzen. Dies kann übrigens auch die Form der brüderlichen Zurechtweisung annehmen. Insbesondere schauen die „alten Herren“, die schon im Berufsleben stehen, auch mal den Studenten auf die Finger, was das Studium angeht. „Da bekomme ich dann auch einmal einen Anruf von diesem Neurologen, ob ich denn endlich die Klausur bestanden habe“, erzählt Leon. Profitieren lasse sich von dem Netzwerk innerhalb der Verbindung allerdings nur, wenn man sich engagiere. Auch das aktive Verbindungsleben lässt sich eben nicht mit dem Vorschlaghammer an den Mann bringen.
Der Text ist im Rahmen des Reportage-Projekts „Christliches Leben in Würzburg“ des Tagespost-Nachwuchsprogramms entstanden.
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