Pier Giorgio Frassati und Carlo Acutis, die am Sonntag heiliggesprochen werden, verbinden viele Gemeinsamkeiten. Vor allem fällt auf: Sie sind ganz normale Leute gewesen und damit Vorbilder für junge Christen von heute, die konkrete Beispiele heiliger Personen brauchen. Pier Giorgio und Carlo waren nicht abgehoben, und das macht sie bei jungen Menschen beliebt. So, wie Carlo seine Klassenkameraden behandelte, können das auch heute junge Christen tun. So, wie Pier Giorgio mit seiner Freundesgruppe Ausflüge machte und Freundschaften ernst nahm, können auch heute junge Menschen leben. Ihr Zeugnis ist, dass christliches Leben möglich, freudvoll und schön ist. Vielleicht ist diese Form von Heiligkeit für junge Menschen anziehender als eine, die Askese und Fasten auf die Spitze zu treiben scheint und als einzigen Weg zum Himmel deutet.
An Carlo und Pier Giorgio zeigt sich: Es ist machbar, heilig zu leben, als Schüler, als Computerfan, als Student, als Bergsteiger. Wenn der selige Carlo es geschafft hat, seine Zeit mit Computerspielen zu begrenzen und nicht süchtig zu werden, und das Internet sinnvoll zu nutzen, sodass etwas Gutes daraus entsteht – dann können das auch andere Jugendliche. Denn vor allem Carlo war „einer von uns“, noch stärker als Pier Giorgio, der etwa hundert Jahre vor ihm lebte.
Gegen ihre großbürgerliche Blase
Zu ihrer „Normalität“ kommt ihre Frömmigkeit hinzu, die in ihren großbürgerlichen Blasen und für ihre teilweise atheistischen Familienmitglieder und Freunde ungewöhnlich war. Pier Giorgio kam aus einer nicht-katholischen Familie. Daran, dass sie täglich in die heilige Messe und zur Anbetung gingen und den Rosenkranz beteten, zeigt sich: Sie setzten ihr Vertrauen ganz auf Gott und auf die Fürsprache der Gottesmutter. Darin liegt ihr „Geheimnis“. Sicherlich ist es nicht immer leicht gewesen, sogar in ihrem familiären Umfeld gegen den Strom zu schwimmen. Doch sie haben daran geglaubt, dass es „in einer Welt, die sich von Gott abgewendet hat, keine Nächstenliebe“ geben kann, wie Pier Giorgio es formulierte, und dass „die Eucharistie die Autobahn zum Himmel ist“, wie Carlo sagte.
Frassati und Acutis haben weder der Vergangenheit hinterhergetrauert, noch ließen sie sich von Zukunftseuphorien beeinflussen. Sie lebten im Jetzt, mit allen Herausforderungen, die es gebracht hat. Beide kannten sie ihre Berufungen nicht. Bei Carlo vermutet man aufgrund von Aussagen seiner Mutter, er wäre später Priester geworden. Pier Giorgio hatte damit zu kämpfen, als Anfang 20-Jähriger nicht zu verstehen, wozu Gott ihn beruft. Doch beiden Seligen schien klar gewesen zu sein, dass Gott sie jeden Tag dazu auffordert, Licht für die Welt zu sein und Zeugnis seiner Barmherzigkeit zu geben. Frassati sprach davon, „die besten Jahre seines Lebens nicht verschwenden zu dürfen“. Sie können jungen Christen ein Vorbild und Fürsprecher sein, die die Frage nach ihrer Berufung sorgt, nach ihrem Platz in dieser Welt: Vorbild darin, nicht darauf zu warten, eines Tages angekommen zu sein, sondern schon heute und in ihrem jeweiligen Umfeld christlich zu leben.
Beide haben heute ihre „Fangruppen“, auch im deutschsprachigen Raum – Tendenz steigend. Kein Wunder, bei einer Hochschulpastoral, die sich teilweise in erster Linie um genderneutrale Sprache bemüht, oder bei Pfarrgemeinden, die als Firmvorbereitung in den Kletterpark gehen. Carlo und Pier Giorgio lebten ein einfaches, christliches Leben, ohne ihre eigene Theologie dazu zu erfinden. Eine enge Beziehung zu Gott, aus der ihre Freude und ihre Taten der Nächstenliebe entspringen. Sie lebten nah an der Quelle, der Eucharistie, die nie aufhören wird, am anziehendsten zu sein. Darum ist es gut, dass sie mit ihrer lebendigen Art jungen Menschen den Weg dorthin weisen und bahnen.
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