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Der Glaube erlischt nicht

Kardinal Christoph Schönborn wurde am Samstagnachmittag im Beisein von 4.000 Gläubigen im Wiener Stephansdom verabschiedet.
Abschied Kardinal Schönborn
Foto: Erzdiözese Wien | Seit 1995 hielt er den Wiener Bischofsstab in seinen Händen: Kardinal Christoph Schönborn.

Im Stephansdom haben heute Nachmittag 4.000 Gäste an einem Dank- und Abschiedsgottesdienst für den scheidenden Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, teilgenommen. In seiner Predigt dankte der seit fast 30 Jahren amtierende Erzbischof für das „gelebte Miteinander“, ohne welches er seinen Dienst nicht hätte halten können. Sein Abschied mache ihn traurig – genauso wie die vielen Austritte aus der katholischen Kirche in Österreich. In 2023 waren es 85.000. Womöglich drohe der Kirche in Europa, ein „Freilichtmuseum der Kathedralen für Besucher aus aller Welt“ zu werden, gab Schönborn zu bedenken.

Für zwei Dinge sei er besonders dankbar: Die Migranten und den Religionsfrieden in Österreich. Er, der als Säugling mit seiner Familie aus dem heutigen Tschechien ausgesiedelt wurde und in Niederösterreich Unterschlupf fand, sehe alle Migranten als „große Bereicherung“. „Ein Herz für Flüchtlinge gehört zur Menschlichkeit, es könnte auch unser Schicksal werden“, mahnte der 79-Jährige mit leicht brüchiger Stimme.

Sorge vor „religiösem Analphabetismus“

Der erfreuliche Religionsfriede in Österreich sei guten Religionsgesetzen sowie professioneller Ausbildung der Religionslehrer aller Konfessionen zu verdanken. In Österreich breite sich derzeit ein „religiöser Analphabetismus“ aus: Eltern vermittelten nichts mehr von „dem Glauben, der über Generationen unser Land geprägt hat“ an ihre Kinder. Hierin sehe er andererseits die Chance auf eine neue Entdeckung des Glaubens. So sei es dem im Tagesevangelium erwähnten Zöllner Levi gegangen. Genau wie er machten auch heute immer wieder Menschen mitten im Leben die Erfahrung eines „Folge mir nach!“- Rufes von Gott. „Der Glaube erlischt nicht, er erscheint immer wieder frisch und lebendig. Die Suche nach Sinn und Erfüllung, nach tieferer Hoffnung lebt im Herzen eines jeden Menschen“, so der Erzbischof mit Blick auf die Zukunft der Kirche.

Es sei wichtig, gegenwärtige Verbrechen wie Menschenhandel, Missbrauch, Korruption und Tötung Unschuldiger klar zu benennen. Doch die Sünder dürfe man nicht verurteilen. „Jesus hat dem Levi nicht die Leviten gelesen. Er hat nicht moralisiert, sondern geheilt, denn er ist nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder“, predigte Schönborn. Sein persönlicher, größter Wunsch sei darum, dass Menschen sich mit Wohlwollen begegneten. Weil Gott „grenzenloses Wohlwollen“ sei.

Kirche in ruhigere See geführt

Dem ökumenischen Festgottesdienst wohnten Vertreter unterschiedlicher christlicher Kirchen bei. Im Anschluss dankte der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kardinal Schönborn für die Leitung „der Geschicke der Erzdiözese Wien über eine beeindruckende Zeitspanne“. „Ich glaube, sie können stolz sein, und ihren Hirtenstab wohlverdient weiterreichen“, so der Bundespräsident. Das Amt sei nicht leicht gewesen, Schönborn hätte mit der Aufdeckung sexuellen Missbrauchs kämpfen müssen. Mit der Einrichtung der „Unabhängigen Opferschutz-anwaltschaft“ im Jahre 2010 habe er „innerkirchliche Pionierarbeit“ geleistet. Van der Bellen, dem Schönborn zu Beginn der Predigt zu seinem heutigen Geburtstag gratuliert hatte, dankte für dessen Einsatz für „Menschen am Rande“, sowie die Kooperationen mit anderen Religionen. Schönborn habe das Kirchenschiff in ruhigere See geführt. „Sie sind ein Mann des Glauben und ein großer Kommunikator, ich beneide sie darum. Ti vogliamo tutti bene“, schloss Van der Bellen. DT/elih

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