Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hatte das Unheil zweifellos schon sehen kommen, als er am Silvesterabend die Mitglieder der Dommusik mit den Worten „wir brauchen Sie alle“ um ihr fortgesetztes Engagement bat, nun ist es wohl so weit: „Es zeichnet sich ab, dass zahlreiche Sängerinnen und Sänger von Domchor und Domkapelle ihre Teilnahme an der Probenarbeit zunächst aussetzen werden“, heißt es in einer Stellungnahme von Sprechern der Chormitglieder, über die die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) berichtet. Bis zu 100 Mitglieder könnten sich an einem Boykott beteiligen, gibt die KNA die Freiburger Domchor-Vorsitzende Christel Hoping wieder. Zuvor hätten bereits Elternvertreter angekündigt, Kinder von der Domsingschule abzuziehen.
Am gestrigen Dreikönigstag hatte Burger den Pontifikalgottesdienst wie schon an Silvester lediglich mit einem Solisten, Orgel und Gemeindegesang bestritten; geplant gewesen war jeweils der Einsatz von Domchor, Domkapelle und Orchester. Nach Angaben des SWR protestierten nach dem Gottesdienst mehrere Dutzend Menschen für den fristlos freigestellten Domkapellmeister Boris Böhmann. Die Elternvertreterinnen Sheila Mesenholl und Christine Mertzlufft, denen zufolge rund 50 Teilnehmer auf dem Münsterplatz aus Protest gesungen hätten, sprachen gegenüber der KNA auch von „Mobbing“ gegen Böhmann; sie sähen „Führungsversagen des Dompropstes und in letzter Instanz des Erzbischofs.“ Während die protestierenden Chormitglieder ihr weiteres Vorgehen am heutigen Dienstag besprechen wollen, soll ein Gespräch von Verantwortlichen der Erzdiözese mit Elternvertretern und Chorsprechern, die mehrfach eine mangelhafte Kommunikation der Kirchenoberen kritisiert hatten, am 15. Januar stattfinden.
Kein Ende in Sicht
Nachdem die Erzdiözese zu den Gründen der Entlassung Böhmanns unter Verweis auf „rechtliche Voraussetzungen“ weiterhin schweigt, stehen divergierende Einschätzungen interner und externer Beobachter im Raum. Das Pro-Böhmann-Lager stuft die Kündigung, die nach vielfachen übereinstimmenden Berichten maßgeblich auf einem Konflikt Böhmanns mit seiner Stellvertreterin beruht, auf Social Media weitgehend einhellig als skandalös ein. Auch die Mehrheit der journalistischen Beobachter ist eher kritisch, mindestens gegenüber dem Konfliktmanagement der Erzdiözese. Dennoch gibt es auch andere Stimmen. So schreibt der Freiburger Sänger und emeritierte Musikpädagogikprofessor Bernhard Possemeyer gemeinsam mit seinem Professorenkollegen Till Krabbe in einem gestern erschienenen Leserbrief in der FAZ, der einzige Vorwurf, den man dem Domkapitel machen könne sei, dass die Kündigung schon vor Jahren hätte ausgesprochen werden müssen. Es sei nämlich nicht Böhmann, der gemobbt werde, sondern die Domkantorin, Böhmanns Stellvertreterin, von ihm.
Die Diskussion dürfte jedenfalls noch geraume Zeit anhalten, steht doch auch noch eine langwierige juristische Auseinandersetzung im Raum. Denn Böhmann, das berichtet die KNA unter Berufung auf seinen Anwalt, will seine Wiedereinstellung als Domkapellmeister gerichtlich erzwingen. Gegen die erstinstanzliche Bestätigung der Kündigung werde Böhmann Berufung einlegen, Ziel sei seine Rückkehr ins Amt. Mit einer Entscheidung des zuständigen Landesarbeitsgerichts sei aber frühestens im Sommer zu rechnen. (DT/jra)
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