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Kirchenrechtler Graulich: Kirchenrecht wird zu lax angewandt

Das Kirchenrecht bietet ausreichend Handhabe gegen Missbrauchstäter, wenn es konsequent umgesetzt würde, so der Untersekretär beim Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte. Zudem seien neue geistliche Gemeinschaften besonders anfällig für geistlichen Missbrauch, so Graulich.
Prälat Markus Graulich
Foto: Archiv | Markus Graulich ist Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte.

Das Kirchenrecht bietet ausreichend Handhabe gegen Missbrauchstäter, wird aber zu lax angewandt. Diese Ansicht vertritt der Kirchenrechtler Markus Graulich im Gespräch mit der „Tagespost“. Sowohl das Kirchenrecht als auch die Normen der Glaubenskongregation aus dem Jahr 2010 seien sehr eindeutig und klar. „Offensichtlich aber gibt es in den Ortskirchen immer noch Schwierigkeiten bei der richtigen Anwendung, wie es schon Papst Benedikt XVI. verschiedentlich beklagt hatte“, so Graulich. Das Bewusstsein, dass auch das Strafrecht zur Kirche gehöre, sei sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Recht bildet Grundlage, um der Willkür entgegenzuwirken

Auf die Behauptung von Kritikern, das Kirchenrecht sei durchzogen von einer Zweiteilung in Laien und Kleriker und pflege damit eine Autoritätslogik, die eine Unterordnung verlange, antwortet Graulich: „Natürlich gibt es Kleriker und Laien, denen in der Kirche unterschiedliche Aufgaben zukommen. Das bedeutet aber nicht gleich eine Unterordnung, sondern grundlegend eine Zusammenarbeit, die unter anderem in den Beteiligungs- und Beispruchsrechten der Gläubigen zum Ausdruck gebracht wird, die das Kirchenrecht auch kennt.“ Formen der Autoritätslogik und Fehlformen von Gehorsam entstünden vor allem durch persönliche Haltungen der Einzelnen und mangelnde Umsetzung des Kirchenrechts, so Graulich, der als Untersekretär für den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte tätig ist. Gerade das Recht bilde die Grundlage, um der Willkür entgegenzuwirken.

Wo der 54-Jährige noch Nachbesserungsbedarf sieht, ist im Hinblick auf das Ansehen einer Person, die einem Missbrauchsverdacht ausgesetzt ist. In bestimmten Fällen sei es schwer, Anschuldigungen zu glauben, vor allem, wenn der Betreffende eine Unschuld beteuere, so Graulich. „Da helfen rechtliche Regelungen wenig, sonder es geht darum, eine Kultur der Aufmerksamkeit zu schaffen, ohne gleich in eine Kultur des Generalverdachtes zu fallen.“

Sexuellem Missbrauch geht oft geistlicher Missbrauch voraus

Die Befürchtung des Münsteraner Bischofs Genn, dass dem sexuellen Missbrauchhäufig geistlicher Missbrauch vorausgehe, teilt Graulich. Insbesondere vielen neuen geistlichen Gemeinschaften fehle ein gesunder Abstand zu den Gründergestalten und eine Einordnung des eigenen Charismas in die Tradition der Kirche. Das mache einerseits anfällig für „geistlichen Missbrauch“. Dieser müsse jedoch genau definiert werden. Um geistlichen Missbrauch zu verhindern, so Graulich, würden Charismen und Gemeinschaften in der Regel einer eingehenden Prüfung unterzogen, „um sicherzustellen, ob sie wirklich von Gott inspiriert sind“.

DT

Wie der Kirchenrechtler Markus Graulich die Debatte um den Zölibat beurteilt, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 14. Februar 2019.

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Benedikt XVI. Kirchenrecht Kirchenrechtler Missbrauchsverdacht Sexueller Missbrauch

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