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Elmar Nass: „Dignitas infinita“ gibt hilfreiche ethische Orientierungen

Der Vatikan macht das Profil christlich verstandener Menschenwürde für jedermann sichtbar, schreibt der Sozialethiker. Er sieht jedoch auch Anlass für Kritik.
Die Basilika Sankt Peter im Vatikan
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Fast unmerklich soll in "Dignitas infinita" die kirchliche Lehre vom gerechtfertigten Krieg verabschiedet werden, bemängelt der Sozialethiker Elmar Nass.

Mit der Erklärung „Dignitas infinita“ will das Dikasterium für die Glaubenslehre den Anker ethischer Orientierung wieder an die richtige Stelle bringen. Das ist gut so. Denn damit macht die Glaubensbehörde das Profil christlich verstandener Menschenwürde für jedermann sichtbar: mit Inhalt und Begründung. Damit zieht sie zugleich rote Linien zur Abgrenzung von solchen Berufungen auf die Menschenwürde, welche von der Kirche moralisch verworfen werden. Die Erklärung dient der Unterscheidung der Geister und gibt hilfreiche ethische Orientierungen. Fünf Jahre dauerte es von der Idee bis zur Veröffentlichung. Das Ergebnis verdient Lob, aber auch Kritik.

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Es ist zu begrüßen, dass mit der Erklärung die Menschenwürde an diejenige Stelle ethischer Reflexion gerückt wird, die ihr zukommt: Ihr Inhalt und ihre Begründung sind der Ausgangspunkt jeder Ethik. Anlass der Erklärung ist die Sorge, dass Fehldeutungen der Würde verantwortlich sind für problematische ethische Positionen mit Konsequenzen für Mensch und Gesellschaft. Damit wird deutlich: Jede Ethik muss zuerst bewertet werden nach ihrem Bild vom Menschen und ihrer Begründung von Würde!

Für das Pontifikat Franziskus' beachtlich

Die Erklärung stellt hierzu für den pluralistischen Ethikdiskurs profilierte Inhalte der katholischen Kirche vor. Damit werden rote Linien gezogen gegenüber inakzeptablen Positionen von Würde und Ethik. In dieser Profilierung findet sich seit langer Zeit wieder mit den Verweisen auf Thomas Aquin und Personalismus (13) eine klar erkennbare naturrechtliche Begründung (9). Dies ist für das Pontifikat Franziskus durchaus beachtlich, wurde doch hier bislang der ontologisch-normative Naturbegriff eher gemieden.

Sozialethiker Elmar Nass
Foto: privat | Sozialethiker Elmar Nass.

Inhaltlich werden damit nun die Konturen dieser Ethik gut begründet offengelegt: Die unbedingte Würde ist ein Geschenk Gottes an jeden Menschen und macht ihn zur Person (7) mit unbedingten Rechten und Pflichten. Gottesebenbildlichkeit (11) und Inkarnation (19) sind dafür die starken christlichen Begründungen der Unbedingtheit. Als damit unvereinbar angesehen werden die bei menschlicher Kreativität statt bei Gott ansetzenden Ethik-Modelle, so etwa die Gendertheorie (55ff.), welche geschlechtliche Rollen wie etwa die Elternschaft anprangert.

Dort und auch überall anders, wo der Mensch sich in ähnlicher Weise an die Stelle Gottes setzt, widersprechen der Erklärung zufolge dem katholischen Würde-Verständnis. Das gilt etwa auch für ein Leugnen der ontologische Natur der Person wie für einen Konstruktivismus, der sich selbst sein Menschenbild zimmert. Das gilt ebenso für die Praxis der Geschlechtsumwandlung, der Abtreibung, Euthanasie oder Leihmutterschaft. Diese unmissverständlichen Abgrenzungen werden wohl in Theologenkreisen auf Ablehnung stoßen, die das Naturrecht zugunsten einer Gender-Theologie dekonstruiert und aus ihrem Diskurs ausgegrenzt hatten.

Unterkomplex vorgetragene Kritik an Markt und Leistungsprinzip

Nun zur Kritik: Es findet sich in der Erklärung wieder eine unterkomplex vorgetragene Kritik an Markt und Leistungsprinzip (31). Man muss weiterhin fragen, ob hier wirklich ein Etatismus als die ordnungsethische Alternative für eine gerechte Gesellschaft protegiert wird? Sperrige Übersetzungen (wie etwa die unverständliche Rede von „andersfähigen“ Menschen) mag man verzeihen. Die „dignitá personale“ aber mit „persönliche“ anstatt „personale Würde“ zu übersetzen (24), das ist schon ein grober Schnitzer. Der personale Gedanke steht ja gerade für die enge Verschmelzung der unbedingten Würde mit dem Personalitätsprinzip. Diese wichtige Synergie geht in der Übersetzung leider verloren.

Viel gravierender wiegt die Art, wie fast unmerklich die kirchliche Lehre vom gerechtfertigten Krieg verabschiedet werden soll (39). Es wird hierzu ein Zitat aus „Fratelli tutti“ aus dem Zusammenhang gerissen. Dort hatte Papst Franziskus ganz in der Linie der kirchlichen Soziallehre erklärt, dass der mögliche Einsatz bestimmter Waffensysteme das Reden von einem gerechten Krieg schwer mache. Nun aber wird der wichtige Verweis auf den Gebrauch bestimmter Waffensysteme einfach weggelassen und geschlussfolgert, dass „wir die Logik der Rechtmäßigkeit des Krieges hinter uns lassen“ müssen. Damit wird die Intention aus „Fratelli tutti“ verfälscht.

Ob diese Abkehr vom Katechismus der Kirche tatsächlich dem Willen des Heiligen Vaters entspricht, das darf doch sehr bezweifelt werden. Eine Klarstellung ist nötig.  

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