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Bischof Wilmer: Kirche in tiefgreifender Vertrauenskrise

"Die Vertrauenskrise fährt mit voller Wucht ins Gebälk der Kirche, das begreifen wir immer noch nicht".
Heiner Wilmer, Bischof von Hildesheim
Foto: Holger Hollemann (dpa) | Heiner Wilmer, Bischof von Hildesheim, äußert sich zur Krise der Kirche.

Nach den Worten des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer braucht die katholische Kirche infolge der Missbrauchsfälle eine neue Theologie. "Die Vertrauenskrise fährt mit voller Wucht ins Gebälk der Kirche, das begreifen wir immer noch nicht", sagte der 55-Jährige der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch).

Thema Missbrauch grundsätzlich angehen

Reagiert werde mit dem Disziplinar- und Kirchenrecht, auch Prävention und Kommunikation würden verbessert sowie mit Justiz und Politik zusammengearbeitet. Das sei alles gut und richtig, so der Bischof. "Aber wir gehen das Thema noch nicht grundsätzlich an: Was bedeutet es für unser Reden über Gott, die Kirche, für die Verkündigung des Evangeliums?"

Das Kirchenbild sei ein Grund dafür gewesen, dass es zu diesem Ausmaß sexualisierter Gewalt habe kommen können, erklärte Wilmer, der dem Orden der Herz-Jesu-Priester angehört. "Wir haben nicht den Menschen gesehen. Wir waren viel zu sehr am polierten Image der Kirche interessiert. Das finde ich ganz fürchterlich."

Wilmer: "Wir haben zehn Gebote, nicht nur das sechste"

Im vergangenen Jahrhundert sei man in eine Art der Verkündigung abgeglitten, die dazu geführt habe, dass die Kirche zu einer "Moralinstitution verkommen" sei mit dem "Fokus, was unter der Bettdecke passieren" dürfe und was nicht, so der seit August 2018 amtierende Bischof. "Wir haben zehn Gebote, nicht nur das sechste", erinnerte er. Auch gebe es viel drängendere moralische Fragen, etwa ob es gerechte Kriege, eine gerechte Verteilung der Güter und eine Gerechtigkeit zwischen den Generationen gebe.

"Die Botschaft Jesu ist aber in erster Linie keine Moral", unterstrich Wilmer. Vielmehr gehe es um Erlösung und Befreiung des Menschen. Entscheidend sei, wie das Evangelium so bezeugt werden könne, dass die Glut unter der Asche wieder brenne. Dafür sei bei den Sehnsüchten der Menschen anzusetzen. Wer nur nach dem Überleben der Kirche frage, habe verloren.

Vertrauen auf den Heiligen Geist

Die Diskussionen über Weiheämter und den Zölibat müssten geführt werden, bekräftigte der Bischof. Er selbst sei "leidenschaftlich gerne zölibatärer Ordensmann". Deshalb sei er dafür, die Ehelosigkeit "noch stärker zum Leuchten zu bringen", indem sie nicht einfach für alle Geistlichen verpflichtend sei. "Und Frauen müssen dringend in Leitung und Verantwortung kommen. Wir können nicht mehr einfach sagen: Die Frage, ob Frauen zu den Weiheämtern zugelassen werden, ist erledigt. Da vertraue ich auf den Heiligen Geist."

KNA / DT (jobo)

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