Schwere Vorwürfe gegen das Moskauer Patriarchat hat das Ehrenoberhaupt der weltweiten Orthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios, erhoben. In einer per Video eingespielten Rede im Rahmen eines Kongresses der griechisch-orthodoxen Kulturvereinigung „Aenaos“ sagte Bartholomaios, die Führung der russischen Orthodoxe Kirchen versuche, eine neue Ekklesiologie zu etablieren und habe damit innerhalb der Orthodoxe Kirchen neue Spannungen geschaffen. So sei das Moskauer Patriarchat „unkanonisch in die Gerichtsbarkeit des Patriarchates von Alexandria eingedrungen“ und habe „das Bild der Orthodoxe Kirchen in den Augen der christlichen Welt getrübt“.
Bartholomaios wirft dem Moskauer Patriarchat eine „arrogante und hegemoniale Mentalität“ vor. Es wolle die Ukrainer unterdrücken und die Orthodoxe Kirchen in eine Konföderation verwandeln. Auch verkenne Moskau die Schlüsselrolle des Ökumenischen Patriarchats. Dieses sei der einzige Garant der Einheit der Orthodoxe Kirchen: „Ohne das Ökumenische Patriarchat wird die Orthodoxe Kirchen in den Sog des Nationalismus, der Selbstgenügsamkeit und der Verachtung der modernen Welt geraten“, so Patriarch Bartholomaios.
Russland vertiefte die Kluft
Der Ökumenische Patriarch wehrt sich in seiner Rede gegen die russische Unterstellung, die von ihm gewährte Autokephalie für die ukrainische Orthodoxe Kirchen habe die aktuellen Spannungen verursacht: „Es war Russland, das die Kluft zwischen Ukrainern und Russen vertieft hat, nicht die Autokephalie, die dem leidenden ukrainischen Volk zuteil wurde. Die Reaktion Russlands beruht auf dem Versuch, dem ukrainischen Volk etwas aufzuzwingen, und auf dem Fehlen eines gesunden kirchlichen Gewissens.“ Die Gewährung der Autokephalie sei kein Beitrag zur Spaltung gewesen, sondern vielmehr ein bedeutender Beitrag zur Einheit der Orthodoxe Kirchen als Ausdruck der orthodoxen Ekklesiologie und jahrhundertealter kirchlicher Praxis.
Bartholomaios rief alle selbstständigen orthodoxen Kirchen, die dies noch nicht getan haben, dazu auf, die autokephale „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ offiziell anzuerkennen „und damit ihre Unterstützung für das leidende ukrainische Volk zum Ausdruck zu bringen“. Alle Anspielungen auf einen Zusammenhang zwischen der Gewährung der Autokephalie und dem Krieg seien „Hirngespinste, um das Verbrechen, das derzeit in der Ukraine begangen wird, zu verschleiern“, so der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel. DT/sba
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.