Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat erneut die Veröffentlichung der Namen von 53 Missbrauchstätern in seinem Bistum verteidigt. Die Namen sind seit Mittwoch auf der Internetseite des Bistums aufgeführt.
Die Veröffentlichung soll besonders den Betroffenen zugutekommen und die weitere Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs „deutlich voranbringen“, schrieb der Bischof in einem Hirtenbrief laut Angaben der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Datenschutzrechte und Unschuldsvermutung gegen Aufarbeitung
Unter den aufgeführten Namen befinden sich 52 Geistliche, inklusive eines ehemaligen Weihbischofs, und ein Nicht-Kleriker. Dem Bistum sind nach eigenen Angaben 126 beschuldigte Kirchenmitarbeiter und 267 Betroffene bekannt. Betroffene sollten zum einen „mit der öffentlichen Nennung des Namens ihres Täters nicht mehr allein bleiben“, zum anderen könnten sie so „Vertrauen schöpfen, aus dem Dunkelfeld herauszutreten“, schrieb Dieser.
Die Entscheidung, die Namen öffentlich zu machen, habe die Diözese nach langem Abwägen getroffen, heißt es weiter: „Datenschutzrechte, die Unschuldsvermutung bei fehlenden Beweisen und die Gefahr einer Stigmatisierung, sofern sich ein Vorwurf im Nachhinein als unbegründet erweist, stehen auf der einen Seite, die Erwartung von Aufarbeitung und Gerechtigkeit auf der anderen.“
Voraussetzung für die Veröffentlichung der Namen war, dass die Beschuldigten schon mindestens zehn Jahre verstorben sind. Zudem seien die Betreffenden bereits entweder von staatlichen oder kirchlichen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden.
Belastung und Erschütterung gehören zur Aufarbeitung
Obwohl die Namensnennung sowohl Betroffene als auch die Gemeinden, in denen die Beschuldigten tätig waren, verunsichere, würden solche „Belastungen und Erschütterungen“ zur „Aufarbeitung der Verbrechen des sexuellen Missbrauch“ gehören. Für den entsprechende Gesprächsbedarf stehen laut dem Aachener Bischof vor Ort Fachleute bereit. Für Betroffene gebe es zudem eine Telefon-Hotline und ein Formular auf der Website des Bistums.
Dieser räumte ein, dass das Vorgehen für alle nicht einfach sei. „Wir werden über all das sicher nicht einer Meinung sein“, so der Bischof abschließend. Solch kontroverse Diskussionen seien aber „unvermeidlich und nötig und helfen der Vergewisserung und Verarbeitung“.
Veröffentlichung in Paderborn nur in Einzelfällen
Auf Nachfrage der KNA gab das Erzbistum Paderborn derweil bekannt, die Namen von Beschuldigten nur in Einzelfällen zu nennen. Eine Publikation von Namenslisten werde „weiterhin als ethisch und juristisch komplex“ eingeschätzt, so ein Sprecher. Somit wird das Erzbistum Paderborn zunächst nicht dem Beispiel des Bistums Aachen folgen.
Anders als in Aachen liegen in Paderborn die Ergebnisse der beauftragten Missbrauchsstudien noch nicht vor. „Deren Ergebnisse und Empfehlungen werden für weitere Schritte hier vor Ort handlungsleitend sein“, so die Diözese. Da in den seltensten Fällen „entsprechende Geständnisse, Beweise oder rechtskräftige Urteile“ vorlägen, sei eine eindeutige Bewertung von Vorwürfen oft unmöglich: Man spreche deshalb nicht von „Tätern“, sondern von „Beschuldigten“. Trotzdem hofft das Erzdiozösen, „dass Betroffene einen für sie geeigneten Weg wählen und finden können, dem Erzdiozösen ihre Anliegen mitzuteilen“, so der Sprecher. DT/jmo
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