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Warum Theologie kein Glasperlenspiel ist

Weisheitstheologie ist kein Selbstzweck, sondern Dienst am Heil der Seelen. Die Texte des Kirchenlehrerter Bonaventura zeigen, dass dieser Ansatz zeitlos aktuell ist. Von Regina Einig
Heiliger Bonaventura
Foto: KNA | Bonaventura. Gemälde von Wilhelm Ziegler und Thomas Schmid, etwa um 1530.

Bonaventura (1221–74) gehört zu den meistgelesenen und -rezipierten Theologen des Mittelalters. Aus dem Werk des „Seraphischen Lehrers“ hat Marianne Schlosser nun eine Textauswahl für Liebhaber und Kenner vorgelegt: einzelne Passagen aus dem monumentalen Sentenzenkommentar, aus den universitären Disputationen oder den Schriftkommentaren. Dabei erweist sich die mittelalterliche Diskussionsführung mit Fragestellungen und die Gliederung in Pro und Contra-Argumente samt Antwort des Lehrers als ausgesprochen dankbar: Auf verhältnismäßig wenig Raum wird eine Gedanken- und Argumentenfülle dargeboten.

Zeitlos aktuell sind Bonaventuras Überlegungen über das Wesen der Theologie, dargelegt im Proemium zum Sentenzenkommentar. Glaube und Vernunft faltet Bonaventura häufig anhand von Texten des heiligen Augustinus (354–430) aus. Ganz im Sinne des Bischofs von Hippo vertritt er die Auffassung, dass Argumente die stärkste Überzeugungskraft haben. Rechtgläubige Begründungen und passende Vergleiche sind von Theologen heranzuziehen, um den Glauben zu verteidigen. „Wie Gott die noch schwache Liebe mancher Menschen durch zeitliche Wohltaten wärmt, wird auch der schwache Glaube durch plausible Argumente gewärmt. Wenn nämlich die im Glauben Schwachen sähen, dass die Argumente für dessen Wahrscheinlichkeit fehlten, die Argumente für das Gegenteil überaus zahlreich sind, würde niemand durchhalten.“

Die Selbstverständlichkeit, mit der Bonaventura Theologie auch im Dienst der Apologetik einordnet, mag aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts zunächst ungewohnt anmuten. Doch gerade als Apologet erweist sich Bonaventura als nüchterner Kopf, der seine Leser davor bewahren will, die Vergangenheit nostalgisch zu verklären. Früher war keineswegs alles besser – und darum erinnert er an die falschen Wunder von Magiern, die es in den Anfängen des Christentums durch die wahren Wunder der Heiligen zu verteidigen galt.

Wenn der Glaube nun durch die falschen Argumente von Häretikern angegriffen werde, „dann muss man ihn auch mit Hilfe der wahren Argumente der Lehrer verteidigen“. Wissen soll dem Seelenheil der Menschen dienen. Dass dies die Tiefe seiner Überlegungen nicht schmälert, zeigen insbesondere seine Erwägungen über Ewigkeit und Dreifaltigkeit. Zwischen beiden Begriffen besteht für Bonaventura ein „wunderbarer Einklang“, da sie inhaltliche Schnittmengen aufweisen.

Wie der Mensch glücklich wird, ist das Leitmotiv seines Kommentars zum alttestamentlichen Buch Kohelet. Ein wunderbares Beispiel für die Literatur, die den Leser in der notwendigen inneren Distanz zur Welt bestärken will. Die dreifache Nichtigkeit der Welt begründet der Kirchenlehrer mit dem französischen Regularkanoniker Hugo von St. Viktor (1097–1141) mit ihrer Wandelbarkeit, Ungerechtigkeit und Strafe. Die Verachtung der Welt führt in dieser Denkschule allerdings nicht zur Resignation oder gar Depression, sondern zu einer Differenzierung: Es geht darum, heilig und profan unterscheiden zu können und letztlich zu wissen, wofür es sich lohnt, zu leben.

Marianne Schlosser (Hrsg.): Bonaventura – Lehrer der Weisheit. Auswahl aus seinen Werken. eos-Verlag

St. Ottilien 2017, 504 Seiten,

ISBN 978-3-8306-7867-0, EUR 29,95

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