„Kann denn Liebe Sünde sein?“, so fragen heute viele, gerade in innerkirchlichen Debatten. Und oft mit aggressivem Unterton. Jeder und jede dürfe doch lieben, wen er oder sie will! Freilich, Liebe kann weder verordnet noch verboten werden. Schon gar nicht, wenn Gott die Liebe ist, wie uns der 1. Johannesbrief lehrt und Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika wortreich in Erinnerung rief. Also, kann Liebe Sünde sein?
Die Frage nach der echten Liebe drängt sich auf
Offenkundig wirkt vieles, was Menschen unter Berufung auf die Liebe tun, vielerlei Verwundungen – bei anderen wie bei ihnen selbst. Die Frage nach dem Wesen der wahren, der echten Liebe drängt sich also auf: Gibt es so etwas wie ein artgerechtes Liebesverhalten des Menschen? Und im Kontrast dazu eine Fremd- und Selbstbeschädigung des Menschen im Namen der großen, der freien Liebe?
Die Frage ist schon sehr grundlegend. Wenn es so etwas wie eine Menschennatur gibt, dann wohl auch ein menschengemäßes Lieben. Und wenn Gott die Liebe ist, dann ist sein Ebenbild gut beraten, in Liebesdingen an Ihm Maß zu nehmen. Dass die zwischenmenschliche Liebe nicht nur Liebes und Liebenswertes hervorbringt, sondern Verletzungen, Verwundungen, Schmerz und Scheitern, lässt sich in unserer Gesellschaft mit freiem Auge, ganz ohne Katechismus erkennen. Wenn Sünde etwas mit der Störung von Beziehungen zu tun hat, dann ist die eingangs gestellte Frage wohl zu beantworten: mit Ja. Wir fragen deshalb in dieser Ausgabe einmal bewusst provokativ dagegen: Kann denn Sünde Liebe sein?
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