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Wissenschaftler feiern Lebendgeburt eines chimären Affen

In einer bisher beispiellosen „Materialschlacht“ vernutzen chinesische Wissenschaftler Primatenaffen zu dubiosen Forschungszwecken – deutsche Forscher spenden artig Applaus.
Japanmakake
Foto: IMAGO/AGAMI/J. Peltomaeki (www.imago-images.de) | Chinesische Forscher brachten in insgesamt 206, durch künstliche Befruchtung erzeugten Javaner-Affenembryonen embryonale Stammzellen ein, die aus einer zuvor etablierten Stammzelllinie eines weiteren Makaken gewonnen ...

Eigentlich ist es unfassbar. Da feiern Wissenschaftler in Deutschland allen Ernstes die Lebendgeburt eines chimären Affen als „wissenschaftlichen Durchbruch“, den ihre chinesische Kollegen, die in Primaten offenbar bloßes Forschungsmaterial erblicken, in einer „Materialschlacht“ produziert haben, die ihres Gleichen sucht.

Man muss nicht einmal ein Gegner von Tierversuchen sein, um die 44 Seiten DIN A4 umfassende Arbeit, die die Forscher am 9. November in der Fachzeitschrift „Cell“ publizierten (DOI: 10.1016/j.cell.2023.10.005), für ein „Dokument des Schreckens“ zu halten. Demnach brachten die Forscher in insgesamt 206, durch künstliche Befruchtung erzeugten Javaner-Affenembryonen embryonale Stammzellen, die aus einer zuvor etablierten Stammzelllinie eines weiteren Makaken gewonnen worden waren, während des 16-Zell-Stadiums ein. Macht 207 vernutzte Primaten.

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Vor der Einbringung in die Affenembryos hatten die Forscher die embryonalen Primatenstammzellen mit einem genetischen Marker versehen, auf dass sie in den Affenembryos ein grün fluoreszierendes Protein exprimierten. Das Protein konnte anschließend jedoch nur in 74 der 206 Embryonen auch nachgewiesen werden. Diese 74 wurden anschließend 40, in der Studie als „Leihmütter“ bezeichneten Affenweibchen eingepflanzt. Nur sechs dieser 74 genetisch modifizierten Affen wurden lebend geboren. Von ihnen wies nur einer die erhofften chimäre Eigenschaften auf. Presseberichten zufolge „verstarb“ er nach zehn Tagen. In Wirklichkeit wurde er aufgrund von „Atemversagen und Unterkühlung“, wie aus der „Ethischen Erklärung“ der Publikation hervorgeht, von einem Tierarzt „nach sorgfältiger Abwägung“ euthanasiert.

Systematische Optimierung der Kulturbedingungen

Wie die Autoren in der Zusammenfassung schreiben, seien ihre Ergebnisse „von großer Bedeutung für die Erforschung der naiven Pluripotenz von Primaten und die Gentechnik bei nichtmenschlichen Primaten“. Der Grund: Die Erzeugung von chimären Tieren „durch frühe Embryokomplementierung mit homologen Zellen“ gelte als ein Nachweis dafür, „dass pluripotente Stammzellen von Säugetieren eine „naive Pluripotenz besitzen“, die „embryonalen Präimplantationszellen“ ähnele. Während diese „bei Nagetieren gut nachgewiesen“ sei, seien „bei anderen Tierarten, einschließlich nichtmenschlicher Primaten“, bisher „nur wenige Chimären erzeugt“ worden. Der Grund hier: „die Spenderzellen“ hätten nicht mit dem Entwicklungsstadium der Wirtsembryonen“ übereingestimmt.

Das sei jedoch nun anders. Denn bei den Experimenten hätten die Chinesen „systematisch verschiedene Kulturbedingungen für die Etablierung naiver embryonaler Stammzellen bei Affen getestet und die Verfahren für die Kultur chimärer Embryonen optimiert“. Dabei seien ein „aborted fetus“ und „ein lebender chimärer Affe mit einem hohen Anteil an Spenderzellen erzeugt“ worden. Zudem hätte sich gezeigt, „dass die Spenderzellen effizient (bis zu 90 Prozent) in verschiedene Gewebe (einschließlich Gonaden und Plazenta) der chimären Affen eingebaut“ worden seien.

Wie der Seniorautor der chinesischen Biobastler, Zhen Liu vom „CAS Center for Excellence in Brain Science and Intelligence Technology, CAS Key Laboratory of Primate Neurobiology“ der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai gegenüber „Cell“ erklärte, könne die Forschung der Chinesen „dabei helfen, die naive Pluripotenz auch bei anderen Primären, etwa Menschen, besser zu verstehen. Auch könne sie dazu beitragen, bessere Primatenmodelle für die Erforschung neurologischer Erkrankungen sowie für andere biomedizinische Untersuchungen zu erzeugen“.

Deutscher Reproduktionsmediziner lobt „wissenschaftlichen Durchbruch“

In Deutschland spenden Forscher derweil artig Applaus: „Diese Publikation wird die Ableitung und Kultivierung qualitativ hochwertiger humaner embryonaler Stammzellen und induzierter pluripotenter Stammzellen [iPS-Zellen] befördern. Humane iPS-Zellen und daraus abgeleitete adulte Zellen werden zurzeit schon in einer Reihe von klinischen Studien getestet, die durch die verbesserten Kulturbedingungen noch sicherer werden können“, lobte etwa Wilfried Kues vom Forschungsbereich Biotechnologie/Stammzellphysiologie am Institut für Nutztiergenetik des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit auf der Insel Riems gegenüber dem „Science Media Center“ (SMC).

Und Stefan Schlatt, Direktor des, aufgepasst, Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie (Anm.d.A.: Männerheilkunde) am Universitätsklinikum Münster, erklärte gegenüber dem SMC, manchmal seien „wissenschaftlichen Durchbrüche“ eben „Fleißpreise“. Die Arbeit zeige, „dass die systematische und mühsame Suche nach optimalen Kulturbedingungen und Versuchsaufbauten notwendig ist, um von einer prinzipiellen Entdeckung zu einer effizienten Anwendung zu kommen. Hier geht es darum, pluripotente Zellen so aufzubereiten und so in einen Präimplantationsembryo zu applizieren, dass eine effiziente Chimärenbildung möglich wird“. Gleichzeitig zeige „das Ergebnis, dass die Nachkommen ungesund sind und nicht mehr als ein paar Tage überleben können. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass Chimärismus, in welcher Form auch immer, keine Strategie für den menschlichen Gebrauch ist.“ Wetten, dass das schon jetzt nicht jeder so sieht.  DT/reh

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