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Tories im Übertruss

Liz Truss droht das politische Aus. Warum das eine Lektion für Konservative ist, ihre Prinzipien an der Realität zu messen.
Britische Premierministerin Liz Truss
Foto: Daniel Leal (PA Wire) | Liz Truss, Premierministerin von Großbritannien, spricht während einer Pressekonferenz in der Downing Street. Nach der Entlassung ihres Finanzministers Kwarteng hat die britische Premierministerin Liz Truss es ...

When it rains it pours. Und die Premierminister Großbritanniens haben seit Jahren keine trockenen Füße mehr gehabt. Auch heute nicht: Alle Zeichen weisen darauf hin, dass Liz Truss, die vierte britische Premierministerin seit 2016, es nicht mehr lange macht. Ihr kühner Plan, die britische Wirtschaft durch radikale Steuersenkungen zu retten, ist gescheitert.

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Das Pfund war schneller in den Keller gerasselt, als der neu gekrönte Monarch Charles „Oh dear“ sagen konnte. Truss feuerte ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng und heuerte stattdessen Jeremy Hunt an. Der kündigte am Montag eine völlige Kehrtwende in den Trussschen Finanzplänen an und hielt sich gerade noch davon ab, der Premierministerin dabei den Vogel zu zeigen. Truss ließ sich am folgenden Tag vor dem Parlament entschuldigen – sie müsse sich um eine dringende Angelegenheit kümmern und verstecke sich nicht, wie Labour ihr genüsslich vorwarf, unter ihrem Schreibtisch. 

Es reicht nicht, sich gegen linke Ideologie abzugrenzen

Wo auch immer Truss sich zur Zeit vor BBC-Reportern versteckt, ihr Schicksal ist eine Lektion für Konservative weltweit. Die Tories hatten sich stets als Partei des „gesunden Menschenverstandes“ stilisiert, eine Phrase, die auch in konservativen Diskursen in Deutschland fällt. Und Truss hatte so den Wahlkampf um die 160.000 Stimmen der Tory-Mitglieder gewonnen. „Ich bin eine ehrliche Frau aus Yorkshire, und ich weiß, dass eine Frau eine Frau ist“, hatte sie im August noch verkündet. 

Doch es reicht nicht, sich gegen linke Ideologie abzugrenzen. „Konservativ“ muss mehr bedeuten. Konservative Prinzipien müssen sich an der Realität messen lassen. Truss hat gezeigt, dass ihre Marke von „konservativ“ – fast blindes Vertrauen in den freien Markt und eine kalte Schulter für soziale Gerechtigkeit – einfach nicht funktioniert hat. Die Folgen sind mehr Instabilität für die britische Wirtschaft und nicht zuletzt verlorenes Vertrauen in die Regierung. 

Beim Parteitag der Tories in Birmingham sollen in Hinterzimmern bereits erste Pläne erdacht werden, um Truss wieder zu ersetzen. Die zynischen Voraussagen britischer Boulevardzeitungen, dass Truss sich nicht länger als ein Salatkopf halten würde, könnten gar nicht so unzutreffend gewesen sein. Höchste Zeit für Konservative überall, ihre Konservierungsmethoden zu überdenken.

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