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Taiwans Außenminister Joseph Wu in Prag erwartet

Der taiwanische Chefdiplomat soll auf Sicherheitskonferenz sprechen.
Joseph Wu
Foto: Michael Leh | Taiwans Außenminister Joseph Wu im Jahr 2019 im Gespräch mit der "Tagespost" in Taipeh.

Während Deutschland weiterhin demokratisch gewählte Spitzenpolitiker Taiwans auf Abstand hält, reist diese Woche der taiwanische Außenminister Joseph Wu laut Nachrichtenagentur Reuters erneut nach Prag. Bereits 2021 war Wu in Tschechien, außerdem in Pressburg und Brüssel. Joseph Wu werde am 14. Juni auf Einladung des tschechischen Think Tank „European Values Center for Security Policy“ (EVC)  an einer Konferenz des EVC in Prag teilnehmen und eine Rede mit dem Titel „Ein Schauplatz, eine Welt und eine Vision“ halten, meldete die taiwanische Nachrichtenagentur CNA unter Berufung auf das Außenministerium in Taipeh. Möglicherweise wird Joseph Wu auch mit Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel zusammentreffen. Pavel hatte nach seiner Wahl im Januar telefonisch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen für ihre Glückwünsche gedankt und auf Twitter erklärt, er hoffe, Tsai „in der Zukunft persönlich zu treffen“.

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Besuche in Europa

Deutschland dagegen praktiziert bis heute de facto einen Einreisebann für die sieben höchsten Amtsträger des demokratischen Taiwan (Präsidentin, Vizepräsident, Ministerpräsident, Parlamentspräsident, Außenminister, Verteidigungsminister, Präsident des Verfassungsgerichts) und geht damit noch weiter als andere EU-Staaten. Begründet wird die rigide Ausgrenzung mit der „Ein-China-Politik“, obwohl deren konkrete Ausgestaltung jedem Land überlassen bleibt. Als Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger (FDP) im März als erste Bundesministerin seit 1997 Taiwan besuchte, traf sie dort nur vor allem mit ihrem Amtskollegen, dem Wissenschaftsminister Wu Tsung-tsong, zusammen. Nicht jedoch mit Präsidentin Tsai Ing-wen. 

Auf die Frage dieser Zeitung hatte im Juli letzten Jahres Außenminister Joseph Wu in Taipeh auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, Nicola Beer (FDP) erklärt: „Seit ich Außenminister bin, war es mir nicht möglich, Deutschland zu besuchen. Nicht weil ich das nicht gewollt hätte, sondern weil ein solcher Besuch das Einverständnis beider Seiten benötigt. Wenn es mir die deutsche Regierung erlaubte und mich eine Institution in Deutschland einlüde, zum Beispiel eine Rede zu halten oder an anderen Veranstaltungen teilzunehmen, wäre ich natürlich sehr glücklich.“ 

Mehr Verständnis in Mitteleuropa

Hinsichtlich seiner Visiten in Brüssel, Prag oder Pressburg im Jahr 2021 antwortete Wu weiter auf die Frage der „Tagespost“, dass „immer mehr europäische Länder die Differenzen zwischen Demokratien und Autoritarismus verstehen“. Europäische Länder, die eine sehr harte autoritäre und kommunistische Herrschaft vor 1989 erlebten hätten, verstünden den Kampf des demokratischen Taiwan und unterstützten es deshalb, wie etwa auch die baltischen Staaten. „Wir schätzen das sehr und haben so eine natürliche Affinität,“ erklärte Wu. Der Besuch in Prag, Pressburg und anderen europäischen Hauptstädten sei „wundervoll“ für ihn gewesen, sagte der taiwanische Außenminister. Wenn die Europäer ihm und anderen hohen Beamten erlaubten, dass ihnen „direkt zugehört“ werden könne, werde dies zu mehr Verständnis für Taiwan führen.

Nicola Beer, die auch stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende ist, hatte nach ihrem Taiwan-Besuch am 3. August 2022 in einem Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR) erklärt, sie wünsche sich, dass hochrangige taiwanische Politiker auch nach Deutschland eingeladen würden. Außenminister Wu sei bereits zu Gesprächen in Brüssel gewesen. „Ich würde mich freuen", sagte Beer, „wenn Bundesaußenministerin Annalena Baerbock als unsere Außenministerin Herrn Wu nach Berlin einlädt“.

Wichtig für Tschechien

Im März diesen Jahres reiste auch die tschechische Parlamentspräsidentin Markéta Pekarová Adamová mit weiteren Abgeordneten und einer großen Wirtschaftsdelegation nach Taipeh. Sie traf sich dort nicht nur mit ihrem Amtskollegen, Taiwans Parlamentspräsidenten Yu Shyi-kun, sondern auch mit Präsidentin Tsai Ing-wen. „Tschechien und Taiwan haben viel gemeinsam“, erklärte Adamová, „unsere Gesellschaften gründen auf den gleichen Werten wie dem Respekt vor Menschenrechten, Freiheit und Demokratie. Zugleich kooperieren wir auf wirtschaftlicher Ebene. Taiwanesische Investitionen sind wichtig für Tschechien“.

Im Juli 2022 war bereits  Parlamentspräsident Yu Shyi-kun mit einer taiwanischen Parlamentsdelegation auf Einladung des tschechischen Senatsvorsitzenden Miloš Vystrčil für drei Tage an der Moldau. Seit 2020 besteht eine Städtepartnerschaft zwischen Prag und Taipeh. Die vorherige Städtepartnerschaft von Prag mit Peking wurde nach politischem Streit beendet. DT/mle

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