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Sudan: Zwischen den Fronten der Großmächte

Der Iran liefert dem Bürgerkriegsland Drohnen und soll im Gegenzug einen Marinestützpunkt gefordert haben. Wie die USA auf den zunehmenden Einfluss des Irans am Rande der Sahelzone reagieren.
Markt in Juba im Südsudan
Foto: IMAGO/Han Xu (www.imago-images.de) | Dem UN-Flüchtlingshilfswerk zufolge sind mehr als 8,6 Millionen Menschen innerhalb des Sudans und in den Nachbarländern auf der Flucht.

Der Sudan ist seit über einem Jahr nicht nur Kriegsschauplatz der sich bekämpfenden sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter der Führung von Sudans Staatslenker Abdel Fattah al-Burhan und der paramilitärischen Einheit „Schnelle Unterstützungskräfte“ (RSF), sondern der Krieg wird auch zunehmend als Spielplatz für die Interessen von Großmächten genutzt. So soll der Iran den Sudan erfolglos dazu gedrängt haben, ihm den Bau eines ständigen Marinestützpunktes an der Küste des afrikanischen Landes am Roten Meer zu gestatten. Im Gegenzug habe der Iran dem afrikanischen Land ein hubschraubertragendes Kriegsschiff versprochen. Das berichtet die amerikanische Zeitung „Wall Street Journal“ (WSJ) unter Berufung auf einen anonymen hochrangigen sudanesischen Geheimdienstmitarbeiter.

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Der Iran habe den Stützpunkt zum Sammeln von Informationen nutzen wollen, zitiert das WSJ den Geheimdienstberater des sudanesischen Militärchefs, Ahmad Hasan Mohamed. Ein Marinestützpunkt am Roten Meer würde es Teheran ermöglichen, eine der am stärksten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt stärker in den Griff zu bekommen, von wo aus es die im Jemen ansässigen Huthi-Rebellen bei Angriffen auf Handelsschiffe unterstützt. Der Sudan weist die Behauptungen zurück. Der Außenminister des Landes, Ali Al-Sadiq Ali, sagte, der Bericht sei „falsch und erfunden". Der Iran habe „den Sudan nie gebeten, dort einen Stützpunkt zu errichten“. 

Russland bereitet Stützpunkt an sudanesischer Küste vor

Russland hingegen hat bereits einen Stützpunkt seiner Marine an der sudanesischen Küste in Planung. Der Bau wurde aufgrund der politischen Krise im Land allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben. „Aufgrund der Auflösung des Parlaments war die sudanesische Seite noch nicht in der Lage, die notwendigen internen Ratifizierungsverfahren abzuschließen", erklärte der russische Botschafter im Sudan, Andrej Tschernowol, kürzlich. Pläne für den Aufbau einer russischen Militäreinrichtung in Port Sudan werden bereits seit mehr als vier Jahren diskutiert.

Mehreren Ländern wird vorgeworfen, eine der beiden Kriegsparteien mit Waffen oder auch finanziell zu unterstützen: So soll Ägypten ebenso wie der Iran den sudanesischen Streitkräften bewaffnete Drohnen zur Verfügung gestellt haben. Dadurch sei es der Armee gelungen, das Vorrücken der rivalisierenden paramilitärischen „Schnellen Unterstützungskräfte“ zu stoppen und das Gebiet um die Hauptstadt zurückzuerobern, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters eine hochrangige sudanesische Armeequelle. Laut einem UN-Sachverständigenbericht wurden hingegen glaubwürdige Beweise dafür angeführt, dass die Vereinigten Arabischen Emirate der unter General Mohamed „Hemedti“ Hamdan Dagalo kämpfenden Miliz militärische Unterstützung bereitstellen.  

Der wachsende Einfluss des Iran im Sudan beunruhigt die USA, weshalb sie versuchen, den Gottesstaat zurückzudrängen. Der US-Botschafter im Sudan, John Godfrey, erklärte, dass die Unterstützung der SAF durch den Iran „sehr beunruhigend ist und uns große Sorgen bereitet“. Die Vereinigten Staaten führten direkte Gespräche mit Ländern, die als mögliche Kriegstreiber identifiziert wurden. „Wir haben allen Partnern in der Region sehr deutlich gemacht, dass eine Eskalation des Krieges zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur zu steigenden humanitären Kosten führen wird, sondern auch die Gefahr einer Destabilisierung der gesamten Region birgt“, sagte der US-Sondergesandte für den Sudan, Tom Perriello.

USA kündigen zusätzliche Hilfsgelder an

Um den Einflüssen der arabischen und russischen Kräfte entgegenzuwirken und die Krise in dem Land abzudämpfen, kündigten die USA zusätzliche 100 Millionen US-Dollar für die Bewältigung des Konflikts im Sudan an und riefen ihre Partner zum Schulterschluss mit ihnen auf. So forderte die Leiterin der US-Behörde für internationale Entwicklung, Samantha Power, die Verbündeten der USA auf, dem Konflikt im Sudan größere Priorität einzuräumen. „Wir rufen andere dazu auf, sich uns anzuschließen, um die Unterstützung für die Menschen im Sudan zu erhöhen und dringend zusätzliche Mittel für die sudanesische Reaktion zu mobilisieren."

Frankreich, Deutschland und die EU sagten nun auf einer internationalen Geberkonferenz in Paris dem Sudan für humanitäre Hilfe auch mehr als zwei Milliarden Euro zu. Die Hilfe ist dringend nötig – laut Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sind bisher nur sechs Prozent der von den Vereinten Nationen veranschlagten Summe zur Nothilfe zur Verfügung gestellt worden. Der Krieg hat die größte Flüchtlingskrise weltweit ausgelöst. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk zufolge sind mehr als 8,6 Millionen Menschen innerhalb des Sudans und in den Nachbarländern auf der Flucht.
Rund 15.000 Menschen sind bereits gestorben, das Land ist zudem von einer enormen Hungerkrise bedroht. Insbesondere in der bereits früher von Massakern heimgesuchten Region Darfur gibt es Berichte von sexuellem Missbrauch und ethnischen Säuberungen. Um der Gewalt ein Ende zu setzen, sei bei der Konferenz in Paris neben der humanitären Hilfe auch die finanzielle Unterstützung des Krieges zur Sprache gekommen, so der französische Präsident, Emmanuel Macron.

Friedensgespräche sollen wieder aufgenommen werden

In den nächsten drei Wochen sollen nun unter Vermittlung von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emirate, der Afrikanischen Union und des ostafrikanischen Handelsblocks IGAD auch wieder Friedensgespräche über den Krieg im Sudan aufgenommen werden. Die Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien haben bereits mehrere Verhandlungsrunden in Dschidda unterstützt – ohne Erfolg. Doch solange einflussreiche Länder wie der Iran oder Russland ihre Finger im Spiel haben und die destabilisierte Lage des Landes für eigene Interessen nutzen, wird der Friede im Sudan weiter in Ferne liegen. 

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