Dass Emmanuel Macron seine bisherige Premierministerin Elisabeth Borne zum Rücktritt bewegt hat, war seit dem Debakel um das Immigrationsgesetz kurz vor Weihnachten zu erwarten gewesen. Dabei war sie eigentlich die perfekte Kandidatin als ausführender Arm des wahren Regierungschefs, nämlich des Präsidenten selbst: Die hart arbeitende, lupenreine Technokratin stand allzeit mit Nibelungentreue zum Präsidenten, strahlte dabei wenig persönliches Charisma aus. Und genau das schien Macron zu wollen, bestand doch die einzige Aufgabe Bornes darin, parlamentarische Mehrheiten für des Präsidenten politisches Programm zusammenzusuchen.
Eine mehr als mühsame Aufgabe, an der sie letzten Endes gescheitert ist. Nicht wirklich aus eigener Schuld, geht es doch auf das Konto des Präsidenten selbst, dass seine Partei nie gelernt hat, die Opposition anders als mit Herablassung zu behandeln. Daran hat sich nicht viel geändert, auch wenn die Regierungskoalition seit zweieinhalb Jahren die parlamentarische Mehrheit eingebüßt hat. Zu viele Gesetze musste Elisabeth Borne aufgrund fehlender Mehrheiten ohne vorherige Abstimmung im Parlament verabschieden – ermächtigt durch den berühmten Verfassungsartikel 49.3.
Keiner glaubt mehr so richtig an den beschworenen Neubeginn
Zum Jahreswechsel beschwor Emmanuel Macron einen Neubeginn, eine „Wiederaufrüstung“ (réarmement) in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Ein noch für Januar angesetztes „Stelldichein mit der Nation“ – was genau das sein soll, weiß bisher niemand – soll die ganze Sache auf den Weg bringen. Nach verschiedenen vollmundigen Ankündigungen ähnlicher Art seit Beginn seines zweiten Mandats glaubt keiner mehr so richtig daran.
Nun soll ein neuer Premierminister es reißen. Mit 34 Jahren ist Gabriel Attal der jüngste Premierminister der V. Republik und das beste Pferd in Macrons Stall. Seine politische Karriere begann in der Sozialistischen Partei; er begeisterte sich bereits 2016 für Macron und ist seit 2017 in wechselnden Ämtern Teil der Regierung. Als Regierungssprecher fiel Attal als wortgewandt und unerschrocken auf. Im September folgte er als Bildungsminister auf den erfolglosen Pap Ndiaye und verbot als erste Maßnahme aus Gründen der Laizität an Schulen das Tragen der Abaya, ein traditionelles Kleidungsstück aus dem Nahen Osten.
Konkrete Ergebnisse kann Attal noch nicht vorweisen
Dass Attal mit Energie und Autorität begonnen hat, das marode öffentliche Schulsystem zu sanieren, dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, dass er mittlerweile laut Umfragen der beliebteste Politiker der Franzosen ist. Konkrete Ergebnisse kann er jedoch bisher nicht vorweisen, dazu ist er noch nicht lange genug im Amt. Insbesondere musste Attal noch nie ein Gesetz durchs Parlament bringen. Nun muss er zunächst seine Minister berufen. Ob gestandene Kollegen sich von einem solchen „Grünschnabel“ herumkommandieren lassen wollen? Die Schwergewichte Bruno Le Maire (Wirtschaft und Finanzen) und Gerald Darmanin (Innenminister) haben jedenfalls schon einmal keine große Lust dazu.
Eine steile Karriere, hohe Ämter in jungen Jahren, jegliche Ähnlichkeit mit dem amtierenden Präsidenten sind absolut nicht zufällig. „Der Klon“ titelte die sozialistische „L’humanité“. Baut Emmanuel Macron sich einen Nachfolger auf? Er selbst darf im direkten Anschluss an seine zwei Mandate laut Verfassung kein drittes Mal kandidieren. Ob sich aber der Posten des Premierministers im Schatten des Präsidenten dazu eignet, sich als zukünftiger Staatschef zu profilieren, ist zu bezweifeln. Auch wenn die persönliche Beziehung zwischen Präsident und Premier nun sicherlich deutlich freundschaftlicher ist, als das mit Attals Vorgängerin der Fall war: Der aufsteigende Stern am Politikerhimmel wird wenig Lust haben, einfach nur Macrons Politik durchzuführen. Er wird eigene Akzente setzen wollen und das wäre ihm auch zu raten. Laut Verfassung ist es immerhin die Aufgabe der Regierung, die Politik des Landes vorzugeben. Inwieweit der Präsident seinem Eliteschüler freie Hand lassen wird, bleibt abzuwarten.
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