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Polen: Demokratie mit eingeschränkter Medienfreiheit?

Mit der Brechstange drückt die polnische Regierungspartei PiS eine umstrittene Novellierung des Mediengesetztes durch. Dazu kommt das Gerangel mit der EU und den internationalen Verbündeten. Von wem erhofft man sich noch Solidarität und Unterstützung?
Protest für Medienfreiheit in Polen
Foto: Czarek Sokolowski (AP) | Menschen protestieren vor dem polnischen Parlament. Der Protest richtet sich gegen ein neues Rundfunkgesetz, das nach Ansicht von Kritikern die Pressefreiheit im Land einschränken könnte.

Sie treten als Verteidiger des Vaterlandes, der christlichen Werte und des Lebensschutzes auf. Doch mit dem Europäischen Recht, westlichen Bündnissen und der Pressefreiheit hat die polnische Regierungspartei PiS Probleme. Aktuelles Beispiel: Die umstrittene Novellierung des Mediengesetzes, die sich am vergangenen Mittwochabend im Sejm zutrug. Mit der Brechstange, wie man so schön sagt, quetschte die PiS-Regierungs-Koalition die Reform durch das Parlament. Dank der Stimmen der obskuren Splitterpartei „Kukiz 15“, die ein populistischer Rockstar anführt.

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Der Flügel der Vernunft schert aus

Der Flügel der Vernunft der Koalition hingegen, die gemäßigtere Partei „Porozumienie“ rund um den katholischen Philosophen Jaroslaw Gowin, war zuvor aus der Koalition ausgeschert - aus Protest gegen eben diese anvisierte Medienreform, die auf einen privaten Fernsehsender namens TVN zielt. Dieser Sender ist nicht nur in Händen eines amerikanischen Konzerns, er bietet im Unterschied zur sonstigen polnischen Medienlandschaft eine Regierungskritische Berichterstattung. Damit wird, wenn es nach PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski geht, nun Schluss sein: Nur solche internationalen Sender erhalten zukünftig eine Lizenz, die ihren Hauptsitz in Europa haben.  

Wie ernst es dem „Gehirn“ der Regierung mit der Reform des Mediengesetzes, die gemeinhin als „Lex TVN“ bezeichnet wird, ist, erkennt man auch daran, dass mahnende Worte des US-amerikanischen Außenministeriums in den Wind geschlagen wurden. Demokratie mit eingeschränkter Medienfreiheit – das soll zukünftig der Kurs sein. Eine fatale Entwicklung. Weit über das Fernsehprogramm und die Sorge um die Demokratie in Polen hinaus.

Christliche Werte und Lebensschutz sind nicht genug

Denn, wenn man den wichtigsten militärischen Verbündeten brüskiert und dazu auch weiterhin bei anderen Rechtsfragen im Gerangel mit der EU ist – von wem erhofft man dann eigentlich Solidarität und Unterstützung in den sich verschärfenden globalen Konflikten? Etwa von Russland oder China? Das kann Kaczynski nicht ernsthaft erwägen. Einen geheimen Zaubertrank, um das Land als vollkommen isoliertes, gallisches Dorf zu führen, besitzt er ebenso wenig. 

Donald Tusk, der Heimkehrer aus Brüssel und neue informelle Oppositionsführer hat Recht, wenn er die Lage in Polen bei Twitter nun mit den Worten „Alle Szenarien sind möglich“ kommentiert. Christliche Werte, Lebensschutz und Taktieren sind manchmal eben nicht genug. Man muss auch die Staatsräson im Blick haben und den Verstand einschalten.

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