Wie können wir wettbewerbsfähig bleiben? Thales Maia ist Führungskraft beim Antriebsspezialisten DEUTZ und beschäftigt sich mit Themen, welche die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland betreffen. Wichtig für ihn ist auch, optimistisch und hoffnungsvoll zu bleiben. Ein Gespräch zu seinen Beiträgen auf dem Kongress Christlicher Führungskräfte in Karlsruhe.
Herr Maia, worum geht es, wenn Sie vor einem Publikum von Führungskräften über das Thema „Zukunft gestalten“ sprechen?
Es geht um die Frage, wie wir in der Wirtschaft optimistisch oder mutig in die Zukunft schauen können. Ich glaube, wir leben gerade in einer schwierigen Zeit, was Politik und Wirtschaft angeht. Aber ich glaube auch, dass die Bibel uns gute Beispiele für Hoffnung gibt. Diese Hoffnung möchte ich auch an unsere Mitarbeiter weitergeben. Zurzeit beschäftigt mich das Kapitel 29 im Buch Jeremia sehr. Der Prophet hat die Menschen aufgefordert, etwas zu tun, und nicht aufzugeben. Diese Haltung hilft uns auch, Krisen erfolgreich zu bewältigen. Krisen kommen und gehen auch wieder, aber wir bleiben. Als Christen sollen wir Licht in dieser Welt und Salz der Erde sein. Das ist meine Kernbotschaft. Ich sehe das als unseren Auftrag. Egal wo wir stehen, sollten wir Hoffnungsträger in der Welt sein. Das müssen wir auch als Führungskräfte gegenüber unseren Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten ausstrahlen.
Welche Herausforderungen sehen Sie als Führungskraft in den nächsten Jahren auf Unternehmen zukommen, wenn es um nachhaltiges, zukunftsfähiges Wirtschaften geht?
Wir müssen uns neugestalten, anpassen und innovativ sein. Bei DEUTZ leben wir heute noch hauptsächlich von Dieselmotoren, die in der Industrie genutzt werden. Wir glauben, dass bei der Anwendung von Motoren einer gewissen Leistungsklasse – wie zum Beispiel bei einer Ernte- oder Baumaschine – die Verbrennungstechnologie in Zukunft weiter benötigt werden wird. Angetrieben mit alternativen Kraftstoffen, zum Beispiel mit Biokraftstoffen, gelingt das schon heute deutlich klimafreundlicher als mit Diesel. Parallel dazu arbeitet DEUTZ an der Entwicklung von neuen Antriebslösungen, wie Batterien oder Wasserstoffmotoren. Die Verbrennungstechnologie dominiert die deutsche Industrie meiner Meinung nach. Wir müssen den Spagat schaffen, unsere aktuellen Standbeine zu erhalten und gleichzeitig an nachhaltigen Innovationen zu arbeiten.
Bei einem Ihrer Vorträge auf dem Kongress geht es um das Thema "Wie kann Deutschland wettbewerbsfähig bleiben?" Viele Unternehmen beklagen bürokratische Hürden und hohe Energiepreise. Sind das für Sie zentrale Bremsfaktoren für den Standort Deutschland?
Da gibt es einige. Ich glaube auch, dass wir eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine gezielte Zuwanderungspolitik brauchen. Wir haben verschiedene Bereiche, in denen Leute fehlen. Meine Kunden sprechen nicht über Fachkräftemangel, sondern über Arbeitskräftemangel. In verschiedenen Bereichen brauchen wir einfach Arbeit. Und dann müssen wir eine Politik gestalten, die attraktivere Bedingungen in Deutschland schafft, um mehr passend qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland zu ziehen. In diesen Bereichen können wir noch mehr investieren. Hinzu kommen noch die Digitalisierung und Entbürokratisierung. Das sind große Fragen, die wir heute und in Zukunft beantworten müssen.
Automatisierung und künstliche Intelligenz verändern viele Branchen. Sehen Sie Deutschland auf diese Entwicklungen ausreichend vorbereitet?
Da muss noch viel passieren. Leider sehen wir heute, dass in diesen beiden Bereichen sehr viele Unternehmen in anderen Ländern als Deutschland ansässig sind. Da wurde in der Vergangenheit zu wenig investiert. Aber jetzt wacht die europäische Community auf und sieht zu, dass sie da etwas tun muss. Zum Beispiel hätte es in Deutschland, was die Digitalisierung angeht, ohne die Corona-Zeit nicht so viele Schritte nach vorne gegeben. Von diesen brauchen wir aber noch mehr.
Viele Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland. Welche Argumente sprechen aktuell noch für den Standort Deutschland?
In Deutschland gibt es einen hohen Grad an Knowhow. Ein großer Anteil der Bevölkerung ist gut ausgebildet. Uns muss nur klar werden, dass wir schneller, kreativer und flexibler sein sollten. Andere Länder sind einfach hungriger, was Innovation und flexible Arbeitszeit angeht. Knowhow ist unsere Kernkompetenz, wir müssen nur einen Kilometer länger laufen, damit wir nicht hinterherhinken. Deutschland hat ein sehr gutes Sozial- und Bildungssystem. Das soll aber kein Hindernis für unsere Zukunft sein, sondern eine Basis, ein Ansporn. Wir dürfen uns nicht auf diese Dinge verlassen, sondern müssen auf diesen aufbauen.
Wie wird sich Führung in der Wirtschaft und Gesellschaft in Zukunft ändern?
Ich glaube, dass es noch weniger als schon heute darum gehen wird, Top-Down-Entscheidungen zu treffen. Um Menschen mitzunehmen, muss man sie teilhaben lassen und in Entscheidungen einbeziehen. Als Führungskräfte sollten wir unsere Mitarbeiter mehr involvieren und in die Verantwortung nehmen. Wir müssen das Team mehr in den Vordergrund rücken und motivieren. Hier besteht die große Herausforderung darin, die Top-Down-Mentalität weiter aufzubrechen und in eine Team-Mentalität zu verwandeln, auch auf der Mitarbeiterseite: weniger „Mein Chef macht alles, die da oben sollen entscheiden“, mehr eigenverantwortliches Denken und Handeln. Der Wandel findet jetzt bereits statt, nicht zuletzt weil die neue Generation an Arbeitnehmern ein bisschen anders tickt.“
Welchen Appell würden Sie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft richten, wenn es um den Erhalt Deutschlands als wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort geht?
Unser aktueller Lebensstandard bietet eine tolle Basis für die Zukunft, er darf aber keine Fessel für die Gegenwart sein. Das Sozialsystem in Deutschland muss als Privileg und Katalysator für die Zukunft verstanden werden. Dass die Gesellschaft Menschen auffangen kann, darf kein Grund sein, sich auszuruhen. Die staatlichen Strukturen gilt es vielmehr zu nutzen, um uns alle nach vorne zu bringen.
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