Die ganze Welt, so sieht es aus, befindet sich in Exerzitien. Ganz große Exerzitien, denn der Top-Experte für das Coronavirus, Christian Drosten von der Charité, rechnet damit, dass das „Maximum von Fällen“ im Sommer erreicht wird. Das bedeutet: Eine Zeit des Verzichts und einer brutalen Konfrontation mit der Vergänglichkeit steht an. Viele Menschen, auch solche, die sich bisher für wenig religiös hielten, dürften eine neue Sensibilität gewinnen für die existentialistischen Fragen schlechthin. Gibt es Gott? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wie habe ich bisher gelebt, wie möchte ich zukünftig leben, wenn ich körperlich gesund aus dieser Zeit der Bedrängnis heraustrete?
Was das Leben so wunderbar machte, scheint außer Kraft gesetzt
Auch Christen und Vertreter anderer Religionen werden in ihrem Glauben geprüft. Denn: Alles, was bisher das Leben so wunderbar machte, scheint außer Kraft gesetzt: „Isoliert Euch“, lautet das medizinische Motto dieser seltsamen Exerzitien. „Haltet Euch fern voneinander.“ Anweisungen, die konträr zur christlichen Nächstenliebe zu stehen scheinen. Verständlich deshalb, dass viele Christen daran festhalten, zusammen physisch Gottesdienste zu feiern. Klug ist das nicht. Denn was nützt es, wenn einige ihr Seelenheil kultivieren und dadurch zu einer Gefahr für die anderen werden? Lebensschutz sieht anders aus. Christliche Solidarität und Verantwortung auch.
Nein, jetzt ist die Zeit des stillen Kämmerleins. Zeit, um zu beten für Wissenschaftler, Ärzte, Politiker und Priester, Alte und Kranke, Menschen, die sich infiziert haben. Und natürlich auch für den eigenen Schutz
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