Christen in London sind geteilter Meinung darüber, dass Boris Johnson nach seinem parteiinternen Wahlsieg bei den Konservativen neuer britischer Premierminister wird. „Es gibt Christen auf beiden Seiten. Es ist eigentlich eine politische Frage und keine religiöse Frage“, erklärt Andreas Blum, Pfarrer in der deutschsprachigen katholischen Gemeinde St. Bonifatius in London, im Gespräch mit dem Kölner Domradio. Da sich Johnson so klar für den Brexit ausgesprochen habe, seien diejenigen auf der christlichen Seite, die auch für den Brexit sind, durchaus mit ihm als Premierminister einverstanden. „Wohingegen die, die den Brexit schon immer kritisiert haben, in ihm natürlich eine große Gefahr sehen.“
"Da ist ein bisschen mehr hinter diesem Mann,
als es die Karikatur manchmal vermuten lässt"
Andreas Blum, Pfarrer in London
Johnson als Populisten und Lügner zu bezeichnen, hält Blum indes für zu oberflächlich und zu simpel. „Man darf nicht vergessen, dass Boris Johnson durchaus ein hochintelligenter Mann ist, den man vielleicht auch eher an seinen Taten als an seinen Worten oder Auftritten beurteilen sollte.“ So habe Johnson etwa in seiner Zeit als Londoner Oberbürgermeister viele Dinge erreicht, die in der ganzen Nation als erfolgreich gewertet worden seien. „Da ist ein bisschen mehr hinter diesem Mann, als es die Karikatur manchmal vermuten lässt.“
Zum künftigen Umgang mit dem Brexit, an dem bereits Johnsons Vorgängerin Theresa May gescheitert war, meint Pfarrer Blum: „Dass es Auswirkungen geben wird, ist glaube ich allen klar. Es geht darum, diese Auswirkungen zu begrenzen, auf ein Maß, dass die Lebensverhältnisse hier nicht allzu sehr eingeschränkt werden.“ Wenn man die weltpolitische Lage betrachtet, sollte es jedoch ein gutes Miteinander mit der Europäischen Union geben, meint der Geistliche. „Weil weder Großbritannien, noch die EU alleine so stark auftreten können, wie eben gemeinsam.“
Klarheit über künftiges Aufenthaltsrecht gefragt
Viele Mitglieder seiner Gemeinde, so Blum, hätten inzwischen die britische Staatsbürgerschaft beantragt, um Klarheit über ihren zukünftigen Aufenthalt in Großbritannien zu erhalten. Andere seien aufgrund ihrer Arbeit wieder auf das Festland gezogen. Für alle, die bleiben, sei jedoch zu klären, was weiter zu tun sei und ob sie sich weiter im Land aufhalten dürften. „Solange das nicht endgültig in trockenen Tüchern und auch gesetzlich festgelegt ist, bleibt natürlich eine gewisse Unsicherheit.“
DT/mlu
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