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Javier Milei triumphiert bei den Präsidentschaftswahlen in Argentinien

Der gewählte Präsident siegt über die mächtige Wahlmaschine des Peronismus und verkündet sogleich drastische Veränderungen.
Javier Milei wird neuer Präsident Argentiniens
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Mit seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen wird Javier Milei ab dem 10. Dezember die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas führen und sich auf ein politisches und wirtschaftliches Experiment einlassen, das ...

Javier Milei ist zum künftigen Präsidenten Argentiniens gewählt worden: In einer Stichwahl erlangte der 53-Jährige nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen knapp 56 Prozent und besiegte damit Sergio Massa (51), den argentinischen Mitte-Links-Wirtschaftsminister, der sich mit 44 Prozent geschlagen geben musste. Massa akzeptierte seine Niederlage bereits, bevor die offiziellen Ergebnisse veröffentlicht wurden.

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In seiner ersten Stellungnahme als designierter Präsident äußerte sich Javier Milei besorgt über die kritische Lage Argentiniens. In einer Botschaft aus seinem Wahlkampf-Hauptquartier warnte der „Anarchokapitalist“ – wie er sich selbst bezeichnet –davor, dass drastische Veränderungen notwendig seien und betonte unmissverständlich, dass „es keinen Platz für Lauheit sowie graduelle und halbe Maßnahmen“ geben werde.

Von der politischen Klasse im Stich gelassen

In Anlehnung an seinen politischen Verbündeten, den ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri, unterstrich Milei: „Wenn wir nicht zügig die strukturellen Veränderungen angehen, die Argentinien benötigt, steuern wir direkt auf die schlimmste Krise unserer Geschichte zu.“

Milei forderte dazu auf, dass alle, die die Ideen der Freiheit unterstützen wollen, „zusammenarbeiten müssen, um auf die Bedürfnisse einer Gesellschaft zu reagieren, die sich in den letzten Jahrzehnten von der politischen Klasse im Stich gelassen fühlt“. 

Mit seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen wird er ab dem 10. Dezember die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas führen und sich auf ein politisches und wirtschaftliches Experiment einlassen, das seinesgleichen sucht.

Denn Milei versprach, die öffentlichen Ausgaben und Steuern zu reduzieren, die argentinische Zentralbank zu schließen und die Landeswährung, den Peso, durch den US-Dollar zu ersetzen. Darüber hinaus sprach er sich für ein Abtreibungsverbot, eine Lockerung der Waffengesetze und die Berücksichtigung nur solcher Länder als Verbündete Argentiniens aus, die bereit sind, den Sozialismus zu bekämpfen – wobei er die Vereinigten Staaten und Israel als Beispiele anführte.

Widerstand von Unternehmen und Gewerkschaften

Einige politische Analysten sind der Ansicht, dass Mileis Aufstieg nicht zwangsläufig die Unterstützung einer rechtsextremen Ideologie widerspiegelt, sondern vielmehr den verzweifelten Wunsch vieler Argentinier nach Veränderung.

Der noch amtierende Präsident Alberto Fernández äußerte sich auf den sozialen Medien optimistisch hinsichtlich einer geordneten Übergangsphase mit Javier Milei. Trotz Mileis Betonung, dass er das öffentliche Bildungs- und Gesundheitswesen erhalten wird, stößt sein Vorhaben, die politische Elite zu beenden und den Staat zu minimieren, in einem Land mit einer starken Tradition wirtschaftlichen Interventionismus auf erheblichen Widerstand seitens Unternehmen und Gewerkschaften.

Milei, der keine politische Erfahrung vorweisen kann, betonte, dass sein Fokus auf aufrichtiger Kommunikation bezüglich der „sehr starken Anpassungen“ liege, die er in der Wirtschaft vornehmen werde. Diese Ehrlichkeit könnte jedoch in einem Land mit einer jährlichen Inflationsrate von 143 Prozent und einer Armutsrate von 43 Prozent entweder den erwarteten Widerstand verstärken oder seine Glaubwürdigkeit bei Bürgern stärken, die von unerfüllten Versprechungen und realitätsfernen politischen Erzählungen enttäuscht sind.

Im Parlament hat Milei keine Mehrheit

Einfach wird er es allerdings nicht haben: Im Parlament hat er keine Mehrheit, sein Lager verfügt nicht über einen Provinzgouverneur, zudem fehlt ihm qualifiziertes Personal, um wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen, Der politische Gegner hingegen kann ihm das Leben als Staatschef schwer machen: Die linken Peronisten sind über Gewerkschaften, soziale Bewegungen und Parteistrukturen bis in die kleinsten Gemeinden bestens organisiert und jederzeit in der Lage, das öffentliche Leben in Argentinien mit Protesten gegen die neue Regierung lahmzulegen

La Libertad Avanza („Freiheit vorwärts“, LLA), Mileis Partei, existierte vor drei Jahren noch nicht und stellt keine herkömmliche politische Partei dar. Es handelt sich um eine Gruppe von Menschen, die sich um den Vorsitzenden scharen und liberale Ideen vertreten, die im Land bisher wenig Anklang fanden. 

Mileis Sieg markiert nicht nur das erste Mal, dass ein Wirtschaftswissenschaftler das Präsidentenamt Argentiniens innehat, sondern auch das erste Mal in der 40-jährigen demokratischen Ära, dass weder der Peronismus noch der Radikalismus, die beiden dominierenden Parteien des Landes, die Regierung stellen. 

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